© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/15 / 17. Juli 2015

Ibrahim Abou-Nagie. Der salafistische Prediger ist wegen Sozialhilfebetrug angeklagt
Der Dankbare
Fabian Schmidt-Ahmad

Die Verhandlung vor dem Kölner Amtsgericht begann mit einem Eklat. Die Anhänger Ibrahim Abou-Nagies, der als einer der einflußreichsten salafistischen Prediger in Deutschland gilt, waren erst nach etlichen Ermahnungen bereit, sich vor dem Schöffengericht zu erheben. Die Erschleichung von Sozialhilfe im großen Stil wirft die Staatsanwaltschaft dem Fünfzigjährigen vor, der vor allem durch seine „Lies!“-Kampagne, die Koran-Verteilaktionen in Fußgängerzonen, bekannt wurde. Sein Anwalt wittert dagegen eine Hetzjagd.

Nicht von der Hand zu weisen ist, daß es sich bei dem Prozeß um einen „Stellvertreterkrieg“ handeln dürfte. Mehrfach scheiterten Strafermittler beim Versuch, Abou-Nagie den Prozeß zu machen. Dessen Internetseite www.diewahrereligion.de gebe Empehlungen, bis hin zur Vernichtung Andersgläubiger, so die Oberstaatsanwaltschaft. Doch 2012 mußte sie ihre Anklage mangels Beweisen zurückziehen. 

Konnte Al Capone erst durch einen Steuerprozeß zur Strecke gebracht werden, soll es hier eine Anklage wegen Sozialhilfebetrugs richten. Mit achtzehn kam der 1964 in einem Flüchtlingslager bei Gaza geborene Abou-Nagie nach Deutschland. Ein Elektrotechnikstudium brach er ab, gründete einen Baumaschinenhandel, den er zu einem Firmennetzwerk ausbaute. Millionen habe er verdient, bis ihn 2007 eine Steuernachzahlung ruiniert habe, so Abou-Nagie. Fakt ist, seitdem bekommt der Langzeitarbeitslose, der seit 1994 deutscher Staatsbürger ist, Stütze.

Zudem verschrieb sich der zweifache Familienvater nach seiner Insolvenz dem Predigen. Rasch gewann Abou-Nagie in der rasant wachsenden Salafistenszene Anhänger. Auch bei deutschen Konvertiten wie Sven Lau und Pierre Vogel findet er Gehör. Dabei führt er einen Lebensstil, der nicht zu einem Sozialhilfeempfänger passen will: ein Reihenhaus im wohlhabenden Kölner Norden, ein schwarzer Mercedes – deutsche Statussymbole. Rein äußerlich ist Abou-Nagie angekommen.

Alleine die Kosten für die „Lies!“-Aktionen, mit denen er jeden deutschen Haushalt mit einem Koran ausstatten will, sollen laut Anklage bei über 130.000 Euro liegen. Rund 10.000 Euro ließ sich Abou-Nagie die Domains seiner Internetseiten kosten. Beglichen werde alles und mehr durch ein Konto, über welches er eine Vollmacht habe. Ein Mitangeklagter, auf den das Konto läuft, fungiere als Strohmann, argwöhnt die Staatsanwaltschaft und fordert 54.000 Euro zurück.

Gemach: Als wenn die Ausnutzung von Sozialhilfe durch Einwanderer nicht normal wäre – geduldet, wenn nicht gefördert, von eben jenem Rechtsstaat, der gegen Abou-Nagie vorzugehen nun bemüht ist. Aber im Gegensatz zu unzähligen weniger dankbaren Einwanderern will Abou-Nagie den Deutschen dafür etwas zurückgeben: Er verschenke den Koran aus „Dankbarkeit gegenüber den Menschen, unter denen wir leben“.