© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/15 / 17. Juli 2015

Wunsch und Wirklichkeit
Kinderbetreuung: Eine Allensbach-Studie wirft einen Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Deutschland
Christian Schreiber

Deutschland hat eine der niedrigsten Geburtenraten der Welt. Vor diesem Hintergrund sorgte Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) jüngst mit ihrem Vorstoß für Aufsehen, Kinder von Schichtarbeitern auch in den sogenannten „Randzeiten“ betreuen zu lassen. Künftig solle es auch möglich sein, daß der Nachwuchs in einer Tagesstätte übernachtet („24-Stunden-Kita“). Während sich in der Union heftiger Protest regt, erält die Ministerin Unterstützung von Renate Köcher. Die Direktorin des Meinungsforschungsinstituts Allensbach stellte in der vergangenen Woche die von Schwesigs Ministerium beauftragte Studie „Weichenstellungen für die Aufgabenteilung in Familie und Beruf“ vor.

Die Studie belegt, daß Frauen, die nach der Geburt ihres ersten Kindes berufliche Abstriche machen, später aus dieser familiären Aufgabenteilung kaum noch herausfinden. Zufriedenstellend sei dieses Modell aber nur für die wenigsten. 57 Prozent der nicht arbeitenden Mütter von Kindern unter sechs Jahren erklärten, Berufstätigkeit sei für sie „ziemlich wichtig“ und sie hätten eigentlich den Wunsch, wieder in den Beruf zurückzukehren. „Nach der Geburt des ersten Kindes und nach den teils kürzeren, teils längeren Elternzeiten verändern sich die Erwerbskonstellationen der Elternpaare erheblich“, heißt es in der Untersuchung. Lediglich 15 Prozent der Paare behalten nach der ersten Elternzeit die Konstellation bei, in der beide Partner arbeiten. Vor der Geburt des ersten Kindes lebten 71 Prozent der Paare in einem „Vollzeit/Vollzeit“-Modell. 

Bei mehr als der Hälfte der Paare mit kleinen Kindern war nach der Elternzeit nur noch ein Partner voll berufstätig. In aller Regel war dies der Mann, während die Frau überwiegend in Teilzeit beschäftigt war. 17 Prozent der Mütter schieden komplett aus dem Berufsleben aus. Die einmal gewählte Konstellation wird von den meisten Paaren auch nach der Geburt des zweiten Kindes beibehalten. Überraschenderweise belegt die Studie, daß auch die Väter mit dieser Konstellation nicht unbedingt zufrieden sind. 52 Prozent aller Väter von Kleinkindern, die von Allensbach Ende 2014 befragt wurden, erklärten, sie würden gerne die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen. Bisher teilen sich nur 18 Prozent der jungen Väter die Verantwortung für den Nachwuchs mit ihrer Ehefrau oder Freundin je zur Hälfte. Interessanterweise erklärten 28 Prozent der Befragten, daß ihr Idealmodell eine Teilzeitbeschäftigung beider Elternteile sei. Dieses Modell wird derzeit allerdings nur bei vier Prozent der Paare praktiziert. 

Darunter leiden Väter, die gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen würden. 30 Prozent der Mütter wünschen sich bei der Kinderbetreuung mehr Unterstützung durch den Partner: „Das sorgt für Frust und wird manchmal auch zur Belastung für die Partnerschaft“, erklärte Renate Köcher. Lediglich bis etwa zum 30. Lebensjahr sei die Mehrheit der Frauen Vollzeit berufstätig. Danach liege der Anteil Vollzeit erwerbstätiger Frauen deutlich unter 50 Prozent: „Die Weichenstellungen im Zusammenhang mit der Familiengründung betreffen Frauen nicht nur für eine kurze Phase, sondern erweisen sich für viele als berufs- und lebensprägend“, heißt es.  

Die Studie macht auch auf ein Ost-West-Gefälle aufmerksam. Nach der Elternzeit arbeiten im Osten 34 Prozent der Frauen in Vollzeit. Im Westen ist dies nur bei 11 Prozent der Mütter der Fall. Das Angebot für Ganztagsbetreuung sei im Osten immer noch besser, sagt Schwesig. Die Allensbach-Studie macht allerdings auch vorherrschende Leitbilder für diese Situation verantwortlich. Etwa die Hälfte der jungen Eltern findet, „daß ein Kind in den ersten Jahren von der Mutter betreut werden sollte.“ Renate Köcher sieht hierin eine Zukunftsherausforderung.