© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/15 / 17. Juli 2015

„Die wahren Brandstifter sitzen in Bern und Zürich“
Schweiz: Knapp drei Monate vor den Parlamentswahlen forciert die rechtsbürgerliche SVP den Wahlkampf, die Zuwanderung steht dabei im Mittelpunkt
Cornelius Persdorf

Den Vorwurf der Brandstiftung weist Toni Brunner zurück. Der Tages-Anzeiger bezeichne ihn und die Schweizerische Volkspartei (SVP) als Brandstifter, weil sie auf die „massiven Mißstände im Asylwesen hinweisen und das wachsende Unbehagen der Bevölkerung“ aufnehmen würden. Hier würden aus „politischem Kalkül bewußt Ursache und Wirkung verwechselt“, klagte der Chef der rechtsbürgerlichen Partei. 

Die wahren Brandstifter säßen dagegen in Bern und Zürich. Die heutige Masseneinwanderung via Asylgesuch habe nichts mehr mit dem eigentlichen Asylbegriff zu tun. Die Aussicht auf ein besseres Leben in der Schweiz führe zu Mißbrauch und Fehlanreizen, die letztlich das Schlepperwesen auf dem Mittelmeer begünstigten. 

Schuld an dieser Entwicklung, so die SVP, seien die Schweizer Behörden, die geltendes Gesetz entgegen dem Volkswillen nicht mehr vollziehen und dabei von einem Großteil der Politiker stillschweigend unterstützt werden. Ende Juni wollte Brunners SVP dies mit Hilfe einer Gesetzesinitiative ändern, die die traditionell überparteiliche Regierung des Alpenstaats zu einer Wende in der Asylpolitik zwingen soll. Ein Asyl-Moratorium sowie die Forderung nach  der Wiederaufnahme der systematischen Kontrollen an den Landesgrenzen stehen dabei im Mittelpunkt.

In diesem Kontext problematisiert die SVP die jährlichen Kosten von rund sechs Milliarden Franken für die Asyl- und Entwicklungshilfeindustrie, die allein die Steuerzahler der Schweiz zu zahlen hätten. 

Kritik an viel zu hoher Anerkennungsquote  

Aufgrund der Anerkennungsquote von heute 60 Prozent – die dreimal höher sei als noch im Jahr 2012 –  müßte die Schweiz bei geschätzten 30.000 Asylbewerbern im Jahr 2015 mit zusätzlichen 18.000 Personen rechnen, erläutert die SVP und verweist auf zusätzliche Kosten im Umfang von rund 600 Millionen Franken pro Jahr. 

Der Chef der Sozialdemokratischen Partei, Christian Levrat, bezeichnete Brunner wegen des Vorstoßes knapp drei Monate vor der Parlamentswahl als „kleinen Orbán“, in Anspielung auf die restriktive Asylpolitik des ungarischen Ministerpräsidenten. „In der derzeitigen Situation müssen wir großzügig sein. Leute, die bei uns Zuflucht suchen, sind schutzbedürftige Personen aus Syrien, Eritrea und so weiter“, mahnte Levrat in der Neuen Zürcher Zeitung. Die Schweiz habe Flüchtlingen in solchen Situationen immer Schutz geboten. 

Mit dem in der Schweiz Motion genannten Entwurf wird die Bundesregierung beauftragt, mittels Notrecht die Anwendung des Asylgesetzes für mindestens ein Jahr außer Kraft zu setzen. Somit würden in dieser Zeit keine Asylverfahren mehr bewilligt, keine Personen als Flüchtlinge anerkannt und keine humanitären Visa ausgestellt werden.

Für den Chefredakteur der Weltwoche und SVP-Nationalratskandidaten Roger Köppel bedeutet dies den logischen Schritt, um den Fehlanreizen Herr zu werden: „Wer das Signal aussendet, alle Wirtschaftsmigranten dieser Welt seien willkommen, macht sich zum Helfer der illegalen Schlepperindustrie.“ Die praktischen Folgen seien aber „nicht einmal das Entscheidende“, erklärt Köppel und kritisiert vor allem, daß Behörden den „großräumigen Bruch“ der Asylgesetze duldeten. Doch ein ein Staat, der „seine eigene Rechtsordnung nicht mehr ernst“ nehme, schaffe sich ab.