© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/15 / 17. Juli 2015

Geschwisterliche Gesten
Ende des Ramadans: Politik und Kirchenführer laden zum gemeinsamen Fastenbrechen von Christen und Muslimen ein
Gernot Facius

Der liberale, für Multikulti-Experimente aufgeschlossene Berliner Tagesspiegel fragte irritiert: „Muß der Ramadan katholisch werden?“ Andere Blätter titelten: „Gehört der Ramadan jetzt auch zu Deutschland?“ In den Schlagzeilen spiegelte sich die Verwirrung, die das Berliner Erzbistum mit seiner „ganz herzlichen Einladung“ zum ersten gemeinsamen festlichen Fastenbrechen von Christen und Muslimen ausgelöst hatte. Der Fastenmonat Ramadan sei ein Zeichen lebendigen muslimischen Glaubens, und dies wolle man wertschätzen, begründete  Prälat Tobias Przytarski, der bis zum Amtsantritt des neuen Erzbischofs Heiner Koch das Hauptstadt-Bistum verwaltet, die Initiative.

Nicht überall weckte diese „geschwisterliche Geste“ verständnisvolle Gefühle. „Peinliche Unterwürfigkeit“, ja  „Anbiederung“ wurde dem Prälaten vorgehalten, eine Einladung zum Fastenbrechen („Iftar“) mache doch nur Sinn, wenn die Einladenden selbst gefastet hätten – was durchaus in Zweifel gezogen werden kann.

Grußworte christlicher Würdenträger zum Ramadan haben Tradition. Da verhalten sie sich nicht anders als Politiker aller Ebenen. Auch die Bundesregierung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zu einem „Empfang aus Anlaß des Ramadan“ gebeten. Alle Religionen kennen Formen des Fastens, nur sind die Motive  verschieden. Der Ramadan ist eine der fünf Säulen des Islam, ein Kernstück muslimischer Religiosität,  in erster Linie dazu da, daß die Gläubigen zu innerer Einkehr finden; der Fastenmonat soll ein Segen für Geist, Körper und Seele sein.

Dagegen erinnern Katholiken mit ihrer Art des (nicht reglementierten) Fastens an die Passion Christi: das Leiden und Sterben ihres Herrn. Der freiwillige Verzicht auf Speise und Trank dient zwar ebenfalls der geistigen Konzentration, aber im Vordergrund steht die Hinwendung zu Gott – nicht ein Etwas-für-sich-Tun.

Koran-Rezitation und katholisches Tischgebet

Fasten ist eben nicht gleich Fasten. Was nicht ausschließt, daß eine Einladung zum gemeinsamen Fastenbrechen von Christen und Muslimen in einer „religiös vielfältigen Stadt wie Berlin“ (Vera Krause von der Stabsstelle für interreligiösen Dialog des Erzbistums) ein Zeichen guter Nachbarschaft sein kann. Vorausgesetzt, die theologischen Unterschiede werden nicht nivelliert, etwa nach der naiven Formel „Wir glauben doch alle an denselben Gott“; oder als gutmenschliches Echo auf den Satz des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, der Islam gehöre inzwischen auch zu Deutschland.

Es sei wunderbar, sagt Prälat Przytarski, daß der Ramadan die Menschen zusammenbringe. Gemeinsam könne der „Glaube und das Leben“ gefeiert werden. Es standen eine Koran-Rezitation und ein katholisches Tischgebet auf dem Programm.

Da meldeten sich auch gleich die Skeptiker. Vielleicht diene ja das dem gegenseitigen Verständnis, wenn Christen und Muslime auf diese Weise zusammenkämen, meinte der Chefredakteur der renommierten katholischen Herder-Korrespondenz, Volker Resing: „Möglich ist es aber eben auch, daß mit so einer Veranstaltungsmixtur weder die eigene Religion noch die des anderen wirklich ernst genommen und respektiert wird. Das wäre dann übergriffig und kein Dialog.“ Wolfgang Huber, der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), nennt das die Gefahr der „Selbstvergleichgültigung“. Politiker  wie Kirchenvertreter bewegen sich auf einem glitschigen Terrain. Beim Ramadan-Empfang der Regierung beteuerte Staatsministerin Aydan Özuguz, eine Muslima, es handele sich nicht um einen religiösen Akt, sondern um ein „Zeichen für gesellschaftlichen Zusammenhalt“, sie selbst habe auch nicht gefastet.

Das führt direkt zu der Frage: Darf die Politik Glaubensinhalte beziehungsweise ein soziales Ereignis einer Religion für ihre (politischen) Ziele instrumentalisieren? Und lassen sich mit dem Hinweis des Berliner Erzbistums auf die „geschwisterliche Geste“ von Christen, die ebenfalls Fasten als religiöse Tradition hätten, alle Befürchtungen einer Anbiederung gegenüber einer fremden Religion zerstreuen? Das darf aus gutem Grund bezweifelt werden.