© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 30/15 / 17. Juli 2015

Martin Heidegger war kein Antisemit
Einspruch des Sohnes gegen neuere Anwürfe gegen den berühmten deutschen Philosophen
Hermann Heidegger

Nicht zuletzt Peter Trawnys Edition der „Schwarzen Hefte“ Martin Heideggers aus den Jahren 1942 bis 1948 (JF 20/15) haben die Anschuldigung des Antisemitismus gegen den Philosophen schriller werden lassen. Sein Sohn Hermann Heidegger hält diesen Vorwürfen folgende Tatsachen entgegen:

1. Die beste Jugendfreundin von Elfride Heidegger, die „Halbjüdin“ Elisabeth Blochmann, wurde auch Freundin und Geliebte von Martin Heidegger und blieb Freundin des Ehepaars bis zu ihrem Tod. Bei ihrer Emigration 1933 bekam sie durch Heideggers Vermittlung eine Stelle in England.

2. Edmund Husserl, ein Jude, war von 1919 bis 1933 väterlicher Freund von Martin Heidegger. Ihm war von diesem „Sein und Zeit“ gewidmet. Auf den vielen Fahrten von Marburg nach Todtnauberg und zurück übernachtete die Familie Heidegger jeweils in der Lorettostraße in Freiburg bei Husserls. Die Aufkündigung der Freundschaft geschah im Mai 1933 durch das Ehepaar Husserl, das erkannt hatte, daß Martin Heidegger nicht Husserls Phänomenologie fortführte, sondern eigene Denkwege ging. Martin Heidegger hatte als frisch gewählter Rektor als erste Maßnahme dafür gesorgt, daß die von seinem Vorgänger Professor Sauer durchgeführte Beurlaubung, die Beurlaubung der vier jüdischen Dozenten der Philosophischen Fakultät, mit badischem Regierungserlaß vom 28. April 1933 wieder aufgehoben wurde. Edmund Husserl bekam noch im Sommersemester 1933 über das Rektorat Heidegger auf dem Dienstweg die Mitteilung, daß er wieder lesen dürfe.

3. Der „Halbjude“ Werner Brock blieb Assistent Heideggers bis September 1933, als er durch die Unterstützung Martin Heideggers eine Stelle in England bekam. – Solange Heidegger Rektor war, konnte der jüdische Professor und Klinikdirektor Thannhauser an der Universität gehalten werden.

4. Martin Heidegger verbot die von den Nationalsozialisten geplante Bücherverbrennung. Die Bücher Husserls blieben unangetastet im Philosophischen Seminar.

5. Die enge Freundschaft mit dem jüdischen Ehepaar Szilasi dauerte von 1919 bis zum Tod von Wilhelm Szilasi 1966 und wurde mit Lily Szilasi noch bis zu deren Tod weitergeführt.

6. Als sein jüdischer Schüler Karl Löwith, der in Marburg hin und wieder die Kinder Heideggers gehütet hatte, nach dem Krieg Martin Heidegger zum ersten Mal wiedersah, umarmte er seinen Lehrer und blieb ihm seither freundschaftlich verbunden.

7. Hannah Arendt, seine jüdische Schülerin und Geliebte aus Marburger Tagen, nahm ab 1950 wieder freundschaftliche Beziehungen zu Heidegger auf. Sie besuchte das Ehepaar Heidegger im August 1975 zum letzten Mal, bevor sie im Dezember 1975 starb.

8. In den „Schwarzen Heften“ sind Bemerkungen zum Judentum eher randständig und leiten sich ab aus der Kritik am neuzeitlichen Menschentum. Diese betrifft ebenso den römischen Katholizismus, den Amerikanismus und Bolschewismus, ferner Technik, Wissenschaft und Universität sowie nicht zuletzt den Nationalsozialismus. Anstatt sich von Verunglimpfungen, Schlagworten und Begriffsungeheuern beirren zu lassen, möge sich der Leser von Heideggers Schriften selbst ein Urteil bilden.    





Dr. Hermann Heidegger, geboren 1920, wurde 1976 von seinem Vater, dem Philosophen Martin Heidegger, mit der Betreuung der Gesamtausgabe seines Werkes beauftragt.