© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31_32/15 / 24. Juli 2015

Östliche Bundesländer sollen mehr Asylbewerber aufnehmen?
Jenseits der Humanität
Michael Paulwitz

Nur ab und an zeigt sich ein Riß in dem Schleier aus Moralwatte, der auf dem öffentlichen Nicht-Diskurs über die absehbar größte Einwanderungswelle liegt, die Deutschland je erlebt hat. Mit seiner Andeutung, man solle doch Asylbegehrende lieber in den entvölkerten Osten der Republik als in die überfüllten westdeutschen Großstädte schicken, hat Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann kurz aufblitzen lassen, worum es bei dem sich potenzierenden Ansturm in Wahrheit geht: nicht um zeitweise humanitäre Fürsorge für Verfolgte, sondern um eine dauerhafte und planmäßige Niederlassung der mehrheitlich nicht Asylberechtigten.

Wäre es anders, müßte Kretschmann nicht die bisher geltende Zuweisung der Ankömmlinge an die Länder nach Bevölkerungszahl und Steueraufkommen in Frage stellen. Sein Vorstoß verrät zweierlei. Zum einen, daß der steigende Verdrängungsdruck auf die eingesessene Bevölkerung wachsenden Unmut erzeugt, auf den sogar das grün-rote Wolkenkuckucksheim irgendwie reagieren muß. Immerhin wird allein in diesem Jahr die Bevölkerung der kompletten Landeshauptstadt Stuttgart mal eben als Asyl-Immigranten auf die Bundesländer zu verteilen sein. Für Baden-Württemberg heißt das, daß 2015 die Einwohnerzahl der Bodenseestadt Konstanz zusätzlich untergebracht und versorgt werden muß, einfach so. Und diese Asyl-Einwanderung soll, zum andern, auf Dauer stattfinden: Das ist der stillschweigende Konsens von Asyllobby, Wirtschaftsverbänden und politisch-medialer Klasse, der hinter den Aufsiedelungsphantasien des grünen Ministerpräsidenten steckt.

Was bei Kretschmann zwischen den Zeilen steht, spricht „IM Victoria“ in ihrem Loblied auf den Vorschlag des Grünen offen aus (siehe Seite 6). Die einstige Stasi- und heutige Asyllobby-Agentin Anetta Kahane wurmt es, daß nach der Wende „ein Drittel des Staatsgebiets weiß blieb“. Zeit also, das bei der Wiedervereinigung vor 25 Jahren Versäumte nachzuholen: Ein „neuer Aufbau Ost“, um Widerstand gegen Multikulturalisierung zu brechen – Volkspädagogik per Bevölkerungsaustausch also. 

Das sind längst nicht mehr nur feuchte Träume linker Gesellschaftsklempner. Der wie ein Naturereignis hingenommene Asylansturm schafft harte Fakten, Tag für Tag. Die Aufnahme und Verteilung der Asylbewerberströme ist damit keine Verwaltungs- und Managementaufgabe mehr, die man getrost Politik, Behörden und Asylindustrie überlassen könnte. 

Das Volk, der Souverän, muß selbst sagen, ob er einfach ausgetauscht werden will. Wenn er, wie üblich, nicht gefragt wird, muß er sich selbst zu Wort melden – solange es ihn noch gibt.