© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31_32/15 / 24. Juli 2015

Der glückliche Herr Lindner
FDP: Angesichts der Krise der AfD sieht der Chef der Liberalen seine Partei zurück auf der Erfolgsspur
Christian Schreiber

Besser könnte es für Christian Lindner kaum laufen. Seine vor Monaten totgesagte FDP hat plötzlich wieder ein Thema. „So viel Einigkeit war noch nie“, twitterte der frühere Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler in der vergangenen Woche. Dabei zählte der Euro-Kritiker aus dem Heimatverband Nordrhein-Westfalen bisher zu den größten Gegnern des Parteivorsitzenden. Und es gab in der FDP nicht wenige, die sich einen anderen Umgang Lindners mit den EU-Skeptikern von der Liberalen Offensive gewünscht hätten. 

So sagte bereits vor zwei Jahren der saarländische FDP-Vorsitzende Oliver Luksic, „daß man gewisse Strömungen besser in Diskussionsprozesse eingebunden hätte. Dann wäre die Gründung der Alternative für Deutschland wohl nicht zustande gekommen.“ Schäffler und seine Mitstreiter hatten versucht, einen Mitgliederentscheid zum Thema Euro-Rettung in der Partei durchzusetzen und stießen dabei auf heftigen Widerstand. 

„Das Problem erledigt sich gerade von selbst“

Als Schäffler schließlich auf dem Bundesparteitag für das Präsidium kandidieren wollte, strafte ihn der Parteivorsitzende mit Mißachtung. Schäffler fiel prompt krachend durch. Doch die Politik ist ein schnellebiges Geschäft. Die AfD, vor zwei Jahren furios gestartet, scheint sich gerade in Rekordgeschwindigkeit zu zerlegen, und während ganz Europa wie ohnmächtig die weiteren Akte der griechischen Tragödie verfolgt, sind die Euro-Gegner nicht mehr in der Lage, ihr Stammthema öffentlichkeitswirksam zu besetzen. 

So hat sich Lindner, dessen Partei bisher brav dem Kurs der Kanzlerin folgte, an die Spitze der „Rettungs-Gegner“ gesetzt. „Wir waren stets für die Hilfspakete, aber was jetzt käme, wäre ein Rechtsbruch. Unsere wirtschaftliche Vernunft sagt nein“, erklärte der Parteivorsitzende, der sogleich einen Giftpfeil in Richtung der schwächelnden Konkurrenz schoß. „Manche haben uns nach der verlorenen Bundestagswahl im Herbst 2013 empfohlen, in einen populistischen Wettbewerb mit dieser Partei einzutreten. Wir haben es nicht getan und sind damit richtig gefahren. Das Problem erledigt sich ja gerade von selbst.“ Das Jahr 2015 läuft bislang hervorragend für die Liberalen. Entgegen allen Prognosen schaffte sie den Einzug in die Bürgerschaften von Hamburg und Bremen. Bundesweit erreichte sie in einigen Meinungsumfragen wieder die Fünfprozenthürde. Und im Frühjahr stehen drei Landtagswahlen an, von denen zwei in den einstigen liberalen Hochburgen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz stattfinden. „Wenn wir es dort packen, haben wir Rückenwind für die Wahl in Nordrhein-Westfalen ein Jahr später. Und wenn wir es dort schaffen, schaffen wir es im Herbst 2017 auch in den Bundestag“, glaubt FDP-Vize Wolfgang Kubicki. Die Vorzeichen scheinen günstig für die FDP. 

In Hamburg und Bremen schickte die Partei zwei junge Unternehmerinnen als Zugpferde in die Wahlkämpfe, seit dem Ausscheiden aus dem Bundestag bemüht sich die Partei verstärkt um ein wirtschaftsliberales Profil. Und so präsentiert sie sich in diesen Tagen gerne als Hüterin der finanzpolitischen Vernunft. „Das ist der Weg des Euro in Richtung Lira. Die Währung wird weich, das Recht wird weich – das alles unterspült das Vertrauen der Menschen in das Projekt Europa“, sagte Lindner in bezug auf Griechenland. Kritik, daß die FDP vor Jahren für den Rettungsschirm gestimmt habe, wischt er vom Tisch. Die Voraussetzungen seien damals andere gewesen, heute sei die Situation viel verfahrener. „Ein ‘Grexit’ wäre ein Neustart für die Eurozone gewesen. Für die verbleibenden Partner wäre es eine Bestärkung von Solidität und Vertragsrecht gewesen. Und für Griechenland wäre es eine Chance gewesen, die notwendigen Anpassungsmaßnahmen leichter zu vollziehen als jetzt“, erklärte er. 

Parteifinanzen bereiten Sorgen

Der ehemalige AfD-Chef Bernd Lucke hätte es wohl kaum anders formuliert. Doch für den und seine Mitstreiter hat die Liberalen-Spitze nur Verachtung übrig.  „Herr Lucke hat doch selbst erklärt, er sei kein Liberaler. Wie sollten wir mit homophoben europafeindlichen Antiamerikanern gemeinsame Sache machen? Die sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst“, sagte Partei-Vize Wolfgang Kubicki der Stuttgarter Zeitung. Und Christian Lindner erläuterte der Zeit, daß bei der FDP enttäuschte AfD-Mitglieder nicht willkommen seien. Wer Ressentiments gegen „Altparteien“ und „Lügenpresse“ habe, sei nicht liberal. Die angekündigte Neugründung von Bernd Lucke und seinen Weckruf-Leuten bezeichnete Lindner als „uninteressant“. Er glaube nicht, daß „die Leute noch einmal auf eine populistische Mogelpackung hereinfallen“.

Sorgen dürften Lindner derzeit auch eher die eigenen Parteifinanzen machen. Wie das ZDF-Magazin „Frontal21“ berichtete, soll die Partei über ihre Vermögensverhältnisse im Rechenschaftsbericht 2013 falsche Angaben gemacht haben. Konkret geht es um die finanzielle Ausstattung zweier Firmen, an denen die Partei beteiligt ist. Die Bundestagsverwaltung – zuständig für die Kontrolle der Rechenschaftsberichte – sieht allerdings „keine Handlungsnotwendigkeit“ und auch die FDP gibt sich gelassen: „Das ist nichts, und das wird nichts“, sagte ein Parteisprecher.

Foto: FDP-Chef Christian Lindner: Die Vorzeichen scheinen günstig