© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31_32/15 / 24. Juli 2015

Grüße aus Rom
Von wegen lethargisch
Paola Bernardi

Der lange römische Sommer scheint auf den ersten Blick wie immer: Gewaltiges Chaos am Flughafen Fiumicino empfängt die Besucher.

 Vor über einem Monat gab es hier einen Brand, noch immer spüren die Ankommenden die Auswirkungen: Brandgeruch hängt noch in der Luft, und das Chaos ist noch größer als sonst beim Abflug, wie auch bei der Ankunft.

 Die Römer, die es sich leisten können, sind bei der Hitze längst ans Meer oder in die Berge geflüchtet. Zum ersten Mal weilen sogar die „beiden“ Päpste in der Sommerresidenz in Castel Gandolfo über dem Albaner See. Die daheim gebliebenen Bewohner verschließen sich in der kühlen Pracht ihrer römischen Wohnungen und sperren jeden Sonnenstrahl durch schwere Samtvorhänge aus. Und wie immer bevölkern die Fremden aus aller Welt mit hochroten, sonnenverbrannten Gesichtern, mit Shorts und Netzhemden bekleidet, die Straßen von Rom. Das Klackern der Rollkoffer auf den Pflastern scheint nicht zu enden.

 Unter den wuchtigen Kolonnaden Berninis am Petersdom liegen die Obdachlosen und dösen in der Hitze. Ihre Zahl wird von Tag zu Tag größer, seit Papst Franziskus auf dem Stuhl Petri sitzt. Das kann auch sein Almosenverwalter Erzbischof Konrad Krajewski bestätigen. Gerade wurden wieder neue Duschen im Vatikan installiert. 8.000 Obdachlose sind derzeit offiziell in Rom registriert.

„Sie schlafen wie Katzen auf blanker Erde“, so ein entsetzter Römer über die Zuwanderer. 

Viel dramatischer sieht hingegen die Situation um den Bahnhof Tiburtina aus. Nachdem das dortige Aufnahmelager Baobal hoffnungslos überfüllt ist, liegen Somalier, Äthiopier und Sudanesen auf den verdorrten Rasenflächen oder dem Asphalt. „Sie schlafen wie die Katzen auf blanker Erde“, so ein Römer. Alle wollen schnell in den Norden Europas. Deshalb will auch keiner identifiziert werden. Auch für Roms Bürgermeister Ignazio Marino ist dieser Sommer 2015 extrem heiß. Nachdem die Stadtverwaltung im Korruptionssumpf versinkt und Rom als „Mafia Capitale“ bezeichnet wird, erhielt er Briefe mit Patronen. Seine Tochter ist schon abgereist.

Doch kaum wird der Himmel dunkler und der kühle Wind aus den Bergen streicht über die Ewige Stadt, erwacht das nächtliche Leben. Das Zentrum wird zum gewaltigen Salon, man ißt, man trinkt und lacht auf den Straßen. Selbst die Obdachlosen tauchen aus ihrer Lethargie auf, und die Zuwanderer schauen den Zügen nach, die sie nach Norden bringen sollen und träumen vom neuen Leben.