© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31_32/15 / 24. Juli 2015

Wer heiraten will, muß eine EC-Karte haben
Finanzpolitik: Ein Szenario für die Bargeldabschaffung zeigt, mit welchen Methoden die Befürworter arbeiten
Ronald Gläser

Ein Bier oder eine Cola gibt es bei Heimspielen von Werder Bremen und Hertha BSC nur noch, wenn der Zuschauer mit Plastikgeld bezahlt: Die Stadien der beiden Bundesligisten haben die Barzahlung vor Jahren abgeschafft. Stillschweigend hat sich die Fangemeinde daran gewöhnt. Geht ja auch schneller an der Kasse. Sagen zumindest die Betreiber.

Auch die Berliner Verkehrsbetriebe und die S-Bahn akzeptieren seit zwei Jahren keine Barzahlung von ihren Abokunden. Nur wer sich schriftlich anmeldet und abbuchen läßt, kann eine Jahreskarte – Wert: ab 740 Euro – bei ihnen kaufen. Ist ja auch sicherer. Sagen die Anbieter.

So wird es munter weitergehen. Die Bargeldabschaffung kommt schleichend, Salamitaktik-artig. Vor allem staatliche und halbstaatliche Stellen gehen voran. Die obengenannten Beispiele ließen sich ergänzen durch die zahllosen Universitätsmensen, die seit Jahren kein Bargeld mehr nehmen. Oder Lokalverwaltungen wie das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin mitsamt dem dazugehörigen Standesamt, die im Juni die Barzahlung für allerlei Zwangsgebühren mit einen Schlag abgeschafft haben. Heiraten ist jetzt nur noch mit EC-Karte möglich.

Natürlich steckt dahinter Methode. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Die Deutschen haben 53 Milliarden Euro auf der hohen Kante, und da will der Staat gerne ran. Ein Drittel des Geldes ist in liquiden Sichteinlagen wie Geld auf dem Sparbuch  geparkt. „Die Abschaffung des Bargeldes könnte schneller kommen, als Sie denken“, spekulieren auch die beiden Autoren Ulrich Horstmann und Gerald Mann. Sie berufen sich unter anderem auf Michael Kemmer, den Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, der 2012 gesagt hat: „Die digitale Gesellschaft von heute und morgen wird die bewährten Zahlungsverfahren auf den Prüfstand stellen und früher oder später auch das Bargeld in Bedrängnis bringen.“ Horstmann und Mann haben auf Grundlage der Entwicklung der vergangenen Jahre ein Szenario entwickelt, wie der große Plan, Bargeld in den westlichen Industrienationen abzuschaffen, umgesetzt werden könnte: 

2016/17 wird der „War on Cash“ (engl. für Kampf gegen das Bargeld) verstärkt. Die Medien bringen immer mehr  Geschichten über unhygienische Geldscheine mit bis zu 20.000 Bakterien darauf. Das Bild von der krankmachenden 20-Euro-Note wird sich schnell beim Publikum einprägen. Dann folgt ein Plan zu schrittweisen Abschaffung des Bargeldes. Erst die 200- und die 500-Euro-Scheine. In den Leitmedien werden die großen Scheine als flankierende PR-Maßnahme zusammen mit Maschinengewehren und Drogenfunden gezeigt, damit diese Dinge miteinander assoziiert werden.

2018/19: Nachdem die großen Scheine ausgesondert sind, werden die 100- und 50-Euro-Noten entfernt. Höchstgrenzen für legale Bargeschäfte werden weiter gesenkt, auf 250 Euro in Italien etwa. Viele Länder haben bereits solche Limits, darunter Frankreich (3.000 Euro), Spanien (2.500), Griechenland (1.500) und eben Italien (1.000).

„Wer für Bargeld ist,          unterstützt Terroristen“

Die Propaganda wird immer härter. „In immer aggressiveren Medienkampagnen werden die Gegner der Bargeldabschaffung als Terrorismusunterstützer oder Befürworter von Steuerhinterziehung diffamiert“, prognostizieren Horstmann und Mann. Öffentliche und private Medien würden dabei an einem Strang ziehen, mutmaßen sie. Eine Einschätzung, die bestätigen wird, wer am vergangenen Montag die RTL-Dokumentation „Achtung Zollkontrolle“ gesehen hat. Einschüchterung und Propaganda bezüglich der Vorzüge werden Kritiker verstummen lassen. Die technischen Vorzüge überzeugen zudem viele Deutsche. Am Ende könnte es sogar eine Mehrheit bei einer Volksabstimmung dafür geben. Wahrscheinlich wird sich kaum nennenswerter Widerstand regen. Gegen den internationalen Datenaustausch aller Finanzämter gibt es ja auch nicht den leisesten Protest. 

Selbst in den Leitmedien ist diese Debatte über die heimliche Bargeldabschaffung angekommen, da auch führende Politiker und Wissenschaftler immer unverhohlener nach der Bargeldabschaffung oder zumindest -begrenzung rufen. Zuletzt etwa der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans, der 2.000 oder 3.000 Euro für Bargeschäfte als Höchstgrenze festlegen will. Der Hehler gestohlener Schweizer Bankdaten hatte erst am Montag in einem Interview mit dem Iserlohner Kreisanzeiger seine Kampagne gegen das Bargeld aufgewärmt. „Kriminelle sind meistens Barzahler“, so Borjans. Ein anderer Prominenter, der sich im November 2014 bei einer Tagung in München für die Abschaffung des Bargelds ausgesprochen har, ist Kenneth Rogoff. Auf seiner Rede beruht das Buch „Bargeldverbot“. 

Der Harvard-Professor ist der Kronzeuge für die beiden Autoren. Rogoff, ein früherer IWF-Topmanager, sagte: „Dann können endlich negative Zinsen gezahlt werden.“ Mit anderen Worten: Wenn Sparer nicht mehr zur Bank gehen und das Geld abheben können, weil „Auszahlen“ unmöglich geworden ist, dann können sie von ihrer Regierung enteignet werden. 

„Bargeldverbot“ ist geradezu fixiert auf diese Rede, die seinerzeit für Schlagzeilen gesorgt hat. Vielleicht ein wenig zu stark. Der Ratgeberteil ist denkbar kurz: Kauft Aktien, Edelmetalle und vielleicht auch Schnaps oder Zigaretten als mögliche Alternativwährung, lautet einer der Ratschläge. Noch wertvoller erscheint der Tip, sein soziales Umfeld so zu gestalten, daß unbare Tauschgeschäfte möglich sind – Klavierstunde gegen Zahnarztbehandlung –, um der Überwachung zu entgehen. Eine Regel, die jetzt schon für jeden gelten sollte. 

Gerald Mann / Ulrich Horstmann: Bargeldverbot. Finanzbuchverlag, München 2015, broschiert, 122 Seiten, 7,20 Euro

Foto: Barzahlung: „Geld gegen Ware“ gibt es vielleicht bald nicht mehr – wenn es nach „fortschrittlichen“ Politikern wie Erwin Huber (CSU) geht