© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31_32/15 / 24. Juli 2015

Seltene Erden im Überangebot
Rohstoffmarkt II: Schon vor der chinesischen Börsenkrise sind die Weltmarktpreise eingebrochen / Erfolgsverwöhnte Konzerne kämpfen jetzt ums Überleben
Albrecht Rothacher

Alles schien so klar: China ist Werkbank der Welt mit einem Binnenmarkt von 1,3 Milliarden Menschen. Dessen Bedarf nach Rohstoffen aller Art steigt unaufhörlich. Doch das chinesische Wirtschaftswachstum schwächelt. Statt sieben sind es bestenfalls noch 5,8 Prozent – nach westlichen Maßstäben wäre dies astronomisch, doch für China ist es eine Katastrophe. Junge Arbeitnehmer werden knapp, die Löhne steigen. Der Kurs der „Volkswährung“ Renminbi (Yuan) zieht an.

Damit hat China ein Problem. Die Aktienkurse an den Börsen von Shanghai und Shenzhen brachen ein (JF 30/15), die kommunistische Regierung reagierte mit Zwangsmaßnahmen wie einem Aktienhandelsverbot auf den Börsenkrach. Es gibt ihn dennoch, aber die KP-Propaganda verbreitet unverdrossen Optimismus – nach dem Motto: „Es gibt immer einen Regenbogen nach dem Regen.“

Doch es gibt in China 250 Millionen Wertpapierdepots – sowohl von Firmen wie Kleinsparern –, und fast alle haben sich für ihre Spekulationskäufe massiv verschuldet. Allein die Kreditschulden der chinesischen Mittelklasse machen derzeit umgerechnet 230 Milliarden Dollar aus. Viele jener Spekulationen wurden vom System der Schattenbanken finanziert, denn die reputierlichen Staatsbanken (95 Prozent des Finanzsektors) bedienen nur die überdimensionierten, monopolistisch und oft verlustreich operierenden Staatsbetriebe.

Hinzu kommt das klassische chinesische Problem, daß börsennotierte Unternehmen oft ausgesaugt werden, bevor es die ausländischen Minderheitsaktionäre merken. Die Antikorruptionskampagne von Xi Jinping schuf viele Gegner in jener allchinesischen Beziehungswirtschaft, wo jeder führende Kader jeden kennt und Geschenke aller Art zur politischen Landschaftspflege ausgiebig ausgetauscht werden. Xi Jinpings Kampagne der Einschüchterung blockiert nunmehr jeden Reformeifer.

Weltrohstoffpoker ohne deutsche Beteiligung

Im Zuge der chinesischen Krise sind die Einnahmen der klassischen Rohstoffexportländer wie Rußland, Australien, Südafrika oder Brasilien dramatisch abgestürzt. Mit ihrer „Großen Feuermauer“ diskriminiert Peking weiter europäische Exporteure. Aufträge von chinesischen Staatsbetrieben an Ausländer gelten als Scherz. Insgesamt wäre der chinesische Konjunktureinbruch für den Rest der Welt verkraftbar – doch gleichzeitig verfallen die Erdölpreise. Die Preise für Eisenerz fielen seit Mai um 40 Prozent ab, jene für Aluminium, Kupfer, Nickel und Zink um zehn Prozent. Erfolgsverwöhnte Rohstoffkonzerne wie Rio Tinto, Glencore, BHP Billiton bis Anglo-American kämpfen jetzt ums Überleben, ähnlich wie jene Konzerne, die sich dem umstrittenen Öl- und Gas-Fracking verschrieben haben. Die deutsche Wirtschaft hat im Weltrohstoffpoker nie wirklich mitgespielt. Sie geht weitgehend unbeschadet aus der Krise hervor. Die gefallenen Rohstoffpreise wirken hingegen als ein gewaltiges Konjunkturprogramm.

Noch dramatischer ist es um die „Seltenen Erden“ bestellt. Die Chinesen hatten als kommunistische Erzkapitalisten jene metallischen Spurenelemente zu monopolisieren versucht. Die Preise für die in der Auto-, Energie- und Elektronikbranche unverzichtbaren Erdelemente explodierten nach chinesischen Exportverboten. Die Chinesen kontrollierten 97 Prozent der Weltproduktion.

Als Gegenreaktion wurden bereits aufgegebene Gruben wie der Mountain Pass in Kalifornien wieder interessant. Kaum kamen jene Metalle auf den Markt, brachen die Preise zusammen und mit ihnen die erst 2010 gegründete Molycorp, die im Juli Konkurs anmelden mußte. Nicht zuletzt auch deshalb, weil viele Hersteller in der Stunde der Not Ersatzstoffe gefunden hatten. So schrumpfte der Weltmarkt für Seltene Erden von 17 Milliarden auf derzeit nur noch eine Milliarde. Einmal mehr haben sich die marxistischen Kapitalisten Chinas ins eigene Bein geschossen.