© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31_32/15 / 24. Juli 2015

Ein Werk des Widerstands
Leben in schweren Zeiten: Der heimlich produzierte Dokumentarfilm „Taxi Teheran“ von Jafar Panahi klagt die Gängelung im Iran an
Wolfgang Paul

Man täusche sich nicht, diese Komödie, die als harmloser Dokumentarfilm daherkommt, ist ein Werk des Widerstands, zwar ironisch vorgetragen, aber doch ein deutlicher Protest gegen die politisch-religiöse Gängelung im Iran.

Achtzig Minuten Taxifahrt durch Teheran. Der Chauffeur, der seine Fahrgäste und uns Zuschauer durch das Großstadtgewühl lotst und dabei manchmal auch ein wenig die Orientierung zu verlieren scheint, ist Jafar Panahi, ein Filmregisseur, der bei den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 die Oppositionsbewegung unterstützte. Im Jahr darauf wurde Panahi verhaftet; gegen ihn wurde ein zwanzigjähriges Berufsverbot und eine sechsjährige Gefängnisstrafe wegen „Propaganda gegen das System“ verhängt. Im Moment ist er auf freiem Fuß, darf aber den Iran nicht verlassen.

Trotz aller Verbote macht Panahi jedoch weiterhin Filme. „Taxi Tehe-ran“ lief auf der diesjährigen Berlinale unter dem Titel „Taxi“. Es ist bereits der dritte Film des Regisseurs, der im Untergrund entstanden und aus dem Land geschmuggelt worden ist, um auf einem großen Filmfestival zur Aufführung zu gelangen.

Situationskomik, die universell verständlich ist

„Sie können doch kein Taxifahrer sein“, vermutet einer von Panahis Fahrgästen. Aber der ist auch kein einfacher Fahrgast, der sich zufällig vom Straßenrand hat auflesen lassen. Früher oder später erkennt der Zuschauer: hier ist alles inszeniert. Und wie! Mit bescheidenen Mitteln, die ihren Charme entfalten: Eine am Armaturenbrett montierte Kamera zeigt mit wenigen, sich wiederholenden Einstellungen den Innenraum des Taxis, und Panahis Nichte steuert Szenen bei, die sie mit einer kleinen Kamera für ihre Schule dreht. So kann man die großen Millionenproduktionen in den Schatten stellen.

Es geht eben um den Inhalt des Taxis. Das Auto ist im Iran immer noch ein privater Raum. Abbas Kiarostami hat das schon in seinem Film „Ten“ aus dem Jahr 2002 gezeigt, in dem er zehn Frauen zu Wort kommen ließ. Auch bei den Gesprächen mit den mal sympathischen, mal nervenden Fahrgästen in Panahis Taxi geht es um staatliche Reglementierungen, um die Mangelwirtschaft in einem vom Welthandel abgeschnittenen Land (das wird sich ja bald ändern) und ums Filmemachen unter erschwerten Zensurbedingungen (das wird wohl noch eine Weile so bleiben). Mit dem offiziellen kulturpolitischen Standpunkt ihrer Lehrerin, wie ein guter und richtiger iranischer Film auszusehen hat, belehrt einstweilen die Nichte ihren schmunzelnden Onkel.

Lange Zeit bleibt ein DVD-Händler im Taxi, der zu einem Kunden will, um ihm verbotene Filme anzubieten. Er erkennt schnell den berühmten Filmregisseur und wittert eine Umsatzsteigerung bei seinem Geschäft mit Raubkopien. Beim nächsten Kunden gibt er ihn als seinen Kompagnon aus, muß sich aber anschließend bei dem ungehaltenen Panahi entschuldigen. Eine charmante Anwältin will ihre Mandantin, die in den Hungerstreik getreten ist, im Gefängnis besuchen. Ihr Verbrechen bestand darin, daß sie ein Basketballspiel sehen wollte – was auf Panahis Film „Offside“ verweist, der vom gleichen Fall handelt.

Dennoch lebt „Taxi Teheran“ weniger von den Anspielungen als von einer Situationskomik, die universell verständlich ist. Panahi ist bis zum überraschenden, nicht ganz schlüssigen Ende eine intelligente Komödie über das Leben in schweren Zeiten gelungen. Auf einen Nachspann mit den Namen der Mitwirkenden hat er zu deren Schutz verzichtet. Im Wettbewerb der Berlinale (JF 9/15) erhielt er für seinen Film zu Recht den Goldenen Bären, und in den deutschen Arthouse-Kinos wünscht man „Taxi Teheran“ viele Zuschauer.