© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31_32/15 / 24. Juli 2015

So klein wie eine Ameise
Ein Superheld rettet mal wieder die Welt: Der Marvel-Actionfilm „Ant-Man“ von Peyton Reed zeigt eine Miniaturwelt in erstaunlicher Perfektion
Wolfgang Paul

Zugegeben, die Superhelden können einem ganz schön auf die Nerven gehen. Erst kürzlich wurde Arnold Schwarzenegger als Terminator reaktiviert und in eine ebenso bizarre wie sinnfreie Materialschlacht geschickt. Auch dem Treiben von X-Men, Avengers und all den anderen Helden aus dem Hause Marvel, die in immer neuen Verfilmungen auf die Leinwand kommen – Hulk gab es in den letzten Jahren in Gestalt von Edward Norton und Eric Bana gleich zweimal im Kino – kann man durchaus skeptisch gegenüber stehen. Und ebenfalls ist es angebracht, die ständige Welten-Retterei ermüdend zu finden. Das von Steve Jobs gegründete Pixar-Studio hat sich in dem amüsanten Animationsfilm „Die Unglaublichen“ auch entsprechend über das Genre lustig gemacht.

Marvel, der New Yorker Comic-Verlag, der weltweit zu den größten und erfolgreichsten seiner Art zählt, spielt, wenn es um die Verfilmung der Bildergeschichten geht, eine Hauptrolle. Die cleveren Verleger haben ihren Geschäftsbereich auf Kinofilme und Vermarktungen von passendem Spielzeug und anderen Dingen erweitert, von denen man sich entsprechende Gewinne verspricht. So sind aus Filmhelden Franchise-Produkte geworden, die in immer kürzeren Abständen auf den Markt geworfen werden. Es geht also nicht nur um gute oder schlechte Filme, sondern auch um eine hochkommerzielle globale Vermarktungskette, in der die Filme eine entscheidende Rolle spielen.

Und doch entsteht auch hier ab und an ein – an kritischen Maßstäben gemessen – beachtliches Produkt wie eben „Ant-Man“, der jetzt in den hiesigen Kinos anlaufende neue Marvel-Film, der im 3D-Verfahren gedreht wurde. Die Figur Ant-Man gehört zu den Gründungsmitgliedern der Avengers, ist aber mit der Zeit ins Abseits geraten. Er ist eben auch ein ungewöhnlicher Held, einer, der, statt größer zu werden, so klein wie eine Ameise wird. Damit er als Kleinst-Lebewesen nicht untergeht, nehmen bei der Verwandlung seine Kräfte zu, wie es sich für einen Superhelden gehört. Wissenschaftlich gesehen, erklärt uns der Biochemiker Dr. Hank Pym, gelingt die Verkleinerung eines Lebewesens, wenn man mit einer Wunderformel die Abstände in der atomaren Welt verkleinern kann. Eine hübsche Idee, die wir natürlich nicht ernst nehmen müssen, wie so vieles in der Welt der Comics.

Michael Douglas spielt den genialen Erfinder Pym, der einen jungen Draufgänger sucht, um den von ihm konstruierten Anzug auszuprobieren, mit dem man auf Ameisen-Format schrumpfen kann. Der von Paul Rudd verkörperte Scott Lang, ein guter Kerl mit krimineller Vergangenheit, der gerade wegen dieser Geschichte seinen Job verloren hat, scheint Pym gerade recht für diese Aufgabe. Scott soll als Ant-Man verhindern, daß Pyms ehemaliger Geschäftspartner mit der Wunderformel Schlimmes anrichten kann.

Mit von der Partie ist – wie heutzutage als Konzession ans weibliche Publikum allgemein üblich – eine kampfbereite Amazone, in diesem Fall Pyms Tochter Hope van Dyne, die von der attraktiven Evangeline Lilly betont unterkühlt gegeben wird.

Für das Drehbuch werden vier Autoren genannt – es dürften tatsächlich noch einige mehr mitgearbeitet haben. Doch die vielen Köche haben den Brei nicht verdorben. Im Gegenteil, der Komödien-Regisseur Peyton Reed konnte sich auf ein einfallsreiches Skript stützen, das er schwungvoll inszeniert hat. „Ant-Man“ gehört zu den wenigen Filmen, denen die Digitalisierung des Herstellungsprozesses gutgetan hat.

Im Vergleich zu den Vorgängern „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“ von 1989 oder „The Incredible Shrinking Man“ von 1957 wird hier die Miniaturwelt in erstaunlicher Perfektion gezeigt. Eine Badewanne gerät zur lebensbedrohlichen Falle, eine Spielzeugeisenbahn wird zum Kampfplatz wie die große Eisenbahn im letzten James-Bond-Film. Weil Pym mit Insekten kommunizieren kann, stellt er dem verkleinerten Scott ein Heer von kämpfenden Ameisen zur Seite und fliegende Ameisen als Hubschrauber zur Verfügung. Wenn schließlich noch ein Vergrößerungsmittel ins Spiel kommt und die Spielzeuglokomotive überdimensional im Vorgarten landet, erreicht das Geschehen seinen vergnüglichen Höhepunkt.

Vielleicht wäre der Film unter der Regie von Edgar Wright, der wegen kreativer Differenzen das Projekt verlassen hat, noch abgedrehter geworden, doch Routinier Peyton Reed hat die Arbeit gewiß zur Zufriedenheit der Produzenten vollendet. Die Vermarktung von neuen Ant-Man-Produkten kann beginnen.