© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 31_32/15 / 24. Juli 2015

Auf eigene Kinder ausgerichtet
Einspruch gegen die Homo-Ehe: Ihre rechtliche Gleichstellung ist generationenblind und gesellschaftsfeindlich
Manfred Spieker

Jede Gesellschaft hat ein vitales Interesse daran, diejenigen privaten Lebensformen besonders zu schützen und zu fördern, welche Leistungen erbringen, die nicht nur für die Beteiligten, sondern auch für die übrigen Gesellschaftsbereiche notwendig sind. Die Leistungen, die Ehe und Familie für die ganze Gesellschaft erbringen, sind die Regeneration der Gesellschaft und die Bildung des Humanvermögens der nächsten Generation.

Aus soziologischer Sicht haben Ehe und Familie deshalb gesellschaftliche Funktionen. Aus ökonomischer Sicht produzieren sie positive externe Effekte. Diese vitalen Funktionen von Ehe und Familie verbieten es, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ehegleiche Rechte einzuräumen. Eingetragene Lebenspartnerschaften leisten zur Regeneration der Gesellschaft keinen Beitrag. Sie haben weder positive externe Effekte noch gesellschaftliche Funktionen. Es liegt in der Logik der Institutsgarantie für Ehe und Familie, ihnen dann auch nicht den Schutz und die Förderung zukommen zu lassen, die Ehe und Familie genießen.

Nach Irland-Referendum Auftrieb für die Homo-Ehe

Das irische Referendum vom 22. Mai, bei dem eine Mehrheit von 62 Prozent für die verfassungsrechtliche Gleichstellung homosexueller Verbindungen mit der Ehe votierte, hat den Forderungen nach der Homo-Ehe nun auch hierzulande großen Auftrieb gegeben. Selbst in CDU und CSU mehren sich die Stimmen, die diese Gleichstellung fordern. Gegenseitige Liebe, Verantwortung und Fürsorge sollen ausreichen, um eine Ehe zu begründen. Gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften die Ehe, die sie jahrzehntelang geschmäht haben, zu verweigern, gilt plötzlich als Diskriminierung.

Schon das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 zum Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16. Februar 2001 hatte den bereits vom Gesetzgeber in den Titel des Gesetzes eingefügten Begriff der Diskriminierung übernommen. Der „Institutsgarantie“ des Artikel 6 I GG, so die Mehrheitsmeinung des Gerichtes, lasse sich kein „Verbot“ entnehmen, „gleichgeschlechtlichen Partnern die Möglichkeit einer rechtlich ähnlich ausgestalteten Partnerschaft zu eröffnen“. Der Gesetzgeber habe mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft „keine Ehe mit falschem Etikett (…) sondern ein Aliud zur Ehe“ geschaffen, also etwas anderes.

Beitrag zur Regeneration der Gesellschaft

Die Senatsmehrheit versäumte es jedoch, nach den Gründen für den Schutz und die Privilegierung von Ehe und Familie im Grundgesetz zu fragen. Sie hätte prüfen müssen, so die Richterin Haas in ihrer abweichenden Meinung, „ob die Rechtsform der eingetragenen Lebenspartnerschaft einen Regelungsgehalt aufweist, der mit dem des Instituts der Ehe vergleichbar ist“.

Ein solcher Regelungsgehalt liegt nicht vor, da die eingetragene Lebenspartnerschaft, so Haas, nicht auf ein eigenes Kind hin angelegt ist, nicht zu Elternverantwortlichkeit führt und keinen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit von Staat und Gesellschaft erbringt. Der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe hat seine Wurzel in der Finalität der Ehe, das heißt in der für sie charakteristischen prinzipiellen Ausrichtung auf die Familie. Der wesentliche Unterschied zwischen gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft und Ehe besteht darin, daß ersterer die Potentialität für die Zeugung und Erziehung von Nachwuchs fehlt.

In seiner Entscheidung vom 7. Juli 2009 befaßte sich der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit einer Verfassungsbeschwerde wegen der Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Hinblick auf die betriebliche Hinterbliebenenversorgung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes. Er hielt eine solche Ungleichbehandlung für unvereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 I GG. Sie stelle eine Diskriminierung der eingetragenen Lebenspartner aufgrund ihrer „sexuellen Orientierung“ dar.

Das Bundesverfassungsgericht ignorierte in dieser Entscheidung wie schon in seinem Urteil von 2002 den Grund der Privilegierung von Ehe und Familie in Artikel 6 I GG, nämlich den Beitrag zur Regeneration der Gesellschaft und zur Bildung des Humanvermögens der nächsten Generation. Es band die Privilegierung der Ehe an die „heterosexuelle“ Orientierung der Eheleute, um so eine Diskriminierung der Menschen mit homosexueller Orientierung zu konstruieren. Es versuchte, seine sachfremde Argumentation dadurch abzusichern, daß es der kinderlosen Ehe eine Bedeutung beimaß, die ihr nicht zukommt, und dadurch, daß es gleichzeitig behauptete, „in zahlreichen eingetragenen Lebenspartnerschaften leben Kinder, insbesondere in solchen von Frauen“.

Wie kühn diese Behauptungen waren, zeigen alle Daten zu Kindern in sogenannten Regenbogenfamilien. Belastbare Zahlen existieren zwar nicht, aber selbst die höheren Schätzungen liegen im Bereich von einem Promille. Der Tatsache, daß der Normalfall einer Ehe nicht die kinderlose, sondern die zu einer Familie führende beziehungsweise mit ihr verbundene Ehe ist, schenkte das Gericht ebensowenig Beachtung wie der Tatsache, daß eine eingetragene Lebenspartnerschaft von sich aus nie auf Kinder angelegt ist.

Kinder brauchen Erzieher beiderlei Geschlechts

Die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe ist generationenblind und lebensfeindlich. Sie setzt einen Paradigmenwechsel voraus hin zur gegenseitigen Beistandspflicht oder zur sexuellen Orientierung, die als Legitimationsgrund für die Privilegierung von Ehe und Familie jedoch unzureichend sind. Alle Menschen mit gleichgeschlechtlichen Neigungen entstammen der Zeugung durch ein Paar mit heterosexuellem Verhalten. Dagegen wird eingewandt, gleichgeschlechtliche Lebenspartner seien durchaus in der Lage, mittels Adoption, In-Vitro-Fertilisation, Ei- und Samenspende sowie Leihmutterschaft einen Beitrag zur Reproduktion der Gesellschaft und zur Bildung des Humanvermögens künftiger Generationen zu leisten. Aber auch adoptierte Kinder sind Kinder, die aus heterosexuellen Beziehungen hervorgehen. Wenn dem Kindeswohl Vorrang vor der Befriedigung von Bedürfnissen oder Wünschen eingetragener Lebenspartner eingeräumt wird, verbietet sich dieser Ausweg, ganz abgesehen davon, daß auch er den Promillebereich nicht überschreitet.

Kinder sind kein Dekor und kein Besitz eingetragener Lebenspartner. Dies gilt selbstverständlich für die natürlichen Eltern nicht weniger. Kinder sind eigene Personen und haben Anspruch auf den Schutz ihrer Würde und ihrer Entfaltungsmöglichkeiten. Die Optimierung dieser Entfaltungsmöglichkeiten erfordert Erzieher beiderlei Geschlechts.

Es gäbe keine Hinweise, so der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann in seinem Bundesrats-

plädoyer für die Homo-Ehe, daß gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Kinder schlechter erziehen könnten als Ehepaare. Doch, diese Hinweise gibt es. Douglas W. Allen hat in einer breiten Untersuchung in Kanada nachgewiesen, daß die Chancen von Kindern aus gleichgeschlechtlichen Haushalten, einen College-Abschluß zu erreichen, deutlich geringer sind als die von Kindern aus heterosexuellen Haushalten. Rund 35 Prozent erreichen den College-Abschluß nicht, bei Mädchen aus schwulen Haushalten sind es gar 85 Prozent (High school graduation rates among children of same-sex households, in: Revue of Economics of the household, 2013, 11: 635-658).

Einen Anspruch auf Erzieher beiderlei Geschlechts – „mixed (male and female) staff“ – hat der Europarat 1995 deshalb auch in die damals diskutierte Charta der Rechte von Waisenkindern aufgenommen. Das Kindschaftsreformgesetz von 1997 geht ebenfalls davon aus, daß Kinder zu ihrer gedeihlichen Entwicklung Mutter und Vater benötigen. Es hat deshalb den Paragraphen 1626 BGB um einen Absatz 3 ergänzt: „Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen.“ 






Prof. em. Dr. Manfred Spieker lehrte Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Osnabrück.




Umfrage zur klassischen Ehe

Fast jeder zweite Deutsche ist der Meinung, daß die klassische Ehe von Mann und Frau besonderen Schutz verdient. Das hat eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ergeben.

47 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu: „Jeder kann seinen Partner zwar frei wählen, das ist Privatsache. Aber aus der Ehe zwischen Mann und Frau entstehen in der Regel Kinder. Deswegen verdient die klassische Ehe zwischen Mann und Frau besonderen Schutz.“ 42 Prozent meinten dagegen: „Ehe heißt für mich, daß sich beide Partner aufeinander verlassen können und füreinander einstehen. Dabei spielt das Geschlecht überhaupt keine Rolle. Daß homosexuelle Partner nicht heiraten dürfen, ist für mich daher eine ungerechtfertigte Diskriminierung.“

Auffallende Unterschiede gibt es zwischen den Generationen: Während 62 Prozent der ab 60jährigen der Ansicht sind, die traditionelle Ehe verdiene besonderen Schutz, sagen dies bei den unter 30jährigen nur 26 Prozent.

Ein weiteres Ergebnis: Fast die Hälfte der Deutschen sieht homosexuelle Partnerschaften mit Kindern mit Unbehagen. 48 Prozent befürworten die Aussage: „Sicherlich kann ein Kind, das bei homosexuellen Eltern aufwächst, eine gute Kindheit haben, aber ich muß sagen, ich habe kein gutes Gefühl dabei, ich finde das nicht richtig.“ Fast drei Viertel (72 Prozent) sind der Überzeugung „Ein Kind braucht ein Heim mit beiden: Vater und Mutter, um glücklich aufzuwachsen“.

Die Umfrage ergab auch, daß die „gleichgeschlechtliche Ehe“ für die Deutschen ein nachrangiges Thema ist. Nur 17 Prozent sind der Auffassung, daß man sich darum „unbedingt“ kümmern sollte. Das ist der letzte Platz unter sechs Bereichen. Für vorrangiger halten die Bürger folgende Themen: Flüchtlinge aus Afrika (77 Prozent), Terror des „Islamischen Staates“ (72 Prozent), Stabilität des Euro (59 Prozent), Integration von Zuwanderern (57 Prozent) und Klimawandel (55 Prozent). (idea/JF)