© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/15 / 07. August 2015

Gender wird in Baden-Württemberg zum Wahlkampfthema
Landtagswahl: Der Widerstand gegen die Ideologie wächst – auch in der katholischen Kirche / Die Grünen hingegen kritisieren AfD-Forderungen als „NPD-nah“
Christian Schreiber

Das Thema Gender Mainstreaming könnte im Frühjahr zum Wahlkampfschlager vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werden und der krisengeschüttelten Alternative für Deutschland Aufwind verleihen. Vor rund zwei Wochen wählte die AfD im Südwesten nicht nur ihre Landesspitze, sondern verabschiedete auch noch eine Resolution, die sich kritisch mit Gender Mainstreaming auseinandersetzt. 

Dabei wurde gefordert, alle Gesetzesparagraphen „unverzüglich und ersatzlos zu streichen“, die dieses heute zum politischen Leitprinzip staatlichen Handelns „auf allen Ebenen“ machen. In der Begründung heißt es zudem, die politisch-bürokratisch verordnete Einebnung der Unterschiede zwischen Männern und Frauen sei ein unzulässiger Eingriff des Staates in das Leben der Menschen: „Dieses Ansinnen ist überdies aus biologischen Gründen zum Scheitern verurteilt und stellt eine Verschwendung von Steuergeldern dar“, heißt es weiter. 

„Außerdem ist untragbar, daß Mütter, die sich ihren Kindern in Vollzeit widmen wollen, einem politischen und ökonomischen Druck ausgesetzt sind, erwerbstätig zu werden.“ Darüber hinaus spricht sich die AfD auch gegen einen Sexualkundeunterricht für Kinder und Jugendliche aus, der „zu sexuellem Experimentieren ermutigen soll“. Dies sei ein „sittenwidriger Eingriff in die Kinderseelen“ und beeinträchtige die psychische und physische Entwicklung junger Menschen schwer. 

Die Tinte unter dem Papier war noch nicht trocken, da setzte das ein, was neudeutsch als „Shitstorm“ bezeichnet wird. Die Grünen, Seniorpartner in einer Koalition mit der SPD, haben mit der Einführung von Lehrplänen, mit denen „sexuelle Vielfalt“ vermittelt werden soll, bereits für vehemente Proteste gesorgt: „Der von der AfD beschlossene Mütterkreuzzug überholt selbst Wladimir Putins homophobes Propagandagesetz von rechts“, klagt der grüne Bundestagsabgeordnete und Homosexuellen-Aktivist Volker Beck im Handelsblatt: „Damit unterscheidet sich die AfD in ihrer Anti-Gleichstellungspolitik nicht mehr viel von der NPD.“ 

Jörg Meuthen, AfD-Bundesvorsitzender und Landeschef in Baden-Württemberg, wies die Kritik an der Positionierung seiner Partei vehement zurück. „Daß die Grünen, wie Volker Beck, nun mit Schaum vor dem Mund gegen die AfD wettern, ist aus ihrer Sicht verständlich. Da doch die verquere Gender-Ideologie seit langem ihr liebstes Kind ist“, erklärte er gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. 

In einer Pressemitteilung weist die AfD zudem darauf hin, daß „angesichts der staatlich verordneten Diskriminierung von Männern, zu der etwa das Bundesgleichstellungsgesetz oder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geführt hat“,  Becks Aussage nur als bewußte Irreführung der Öffentlichkeit bezeichnet werden könne. 

Den Grünen gehe es schließlich nicht um Gleichberechtigung, sondern um die „Implementierung eines widernatürlichen Menschenbildes“, erklärte Meuthen. „Jahr für Jahr werden Millionen von Steuergeldern in diese Pseudowissenschaft investiert. Kinder sollen nach dem grün-roten Bildungsplan von klein auf mit dieser Ideologie indoktriniert werden.“ Gegen diese eklatanten Fehlentwicklungen wende sich die AfD entschieden, während der CDU schon lange der Mut fehle, „sich dieser mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbaren Ideologie in den Weg zu stellen“, kritisierte Meuthen und kündigte an: „Selbstverständlich werden wir das zum Wahlkampfthema machen.“ 

Unterstützung erhielt die Partei in der Sache dann am vergangenen Wochenende aus Kirchenkreisen. Der Fuldaer Erzbischof  Josef Algermissen bezeichnete Gender Mainstreaming in einer Predigt als „eine Ideologie, die der Wirklichkeit und der Integrität der menschlichen Natur völlig entgegensteht“. Die Gender-Strategen unter den Politikern ließen nicht locker und wollten die substantiellen Unterschiede zwischen den Geschlechtern auflösen, kritisierte der Bischof während des Eröffnungsgottesdienstes des Jahreskongresses der konservativen Vereinigung „Forum Deutscher Katholiken“ im Fuldaer Dom. 

Dadurch, warnte Algermissen, werde das christlich-jüdische Werte- und Menschenbild auf dramatische Weise bedroht. Der Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, forderte unterdessen die CDU auf, sich angesichts der Positionierung der AfD in der Gender-Frage von dieser zu distanzieren.