© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/15 / 07. August 2015

Grüße aus Bozen
Keine Lust auf Kauftempel
Hans Gernheim

Die Hitzewelle, die Mitteleu-ropa plagt, hat auch Südtirols größte Stadt Bozen fest im Griff. Die Bozner rühmen sich nicht umsonst, die „Sommerfrische“ erfunden zu haben – einen Ort im kühlen Mittelgebirge, an dem man die heißesten Tage des Jahres verbringen kann. Hitzig geht es auch in der Stadtpolitik zu, das allerdings schon seit längerem. Schuld daran ist der Nordtiroler Finanzier Renè Benko. 

Der österreichische Immobilientycoon, der schon Karstadt übernommen und in Europa eine Reihe von Kaufhäusern aus dem Boden stampfte, hat sich vor einiger Zeit ausgerechnet die beschauliche Stadt an der Talfer als nächstes Ziel ausgesucht. Ein Kaufhaus in Bahnhofsnähe sollte demnach entstehen in unmittelbarer Nachbarschaft zur traditionellen Bozner Einkaufsstraße, der Laubengasse. 

Sehr zum Mißfallen der Bozner Kaufleute, die teilweise seit Generationen ihre Geschäftslokale unter den Lauben betreiben und nun unerwünschte Konkurrenz fürchteten. „Einkaufen im Zentrum statt Einkaufszentrum“, so hörte man die „Laubenkönige“ sagen, die sogar mit einem Konkurrenzprojekt Benkos Einkaufstempel verhindern wollten. 

Bürgermeister Luigi Spagnolli hat sich mit dem Benko-Projekt gewaltig verspekuliert.

Der smarte Investor hat allerdings durch die Verpflichtung eines britischen Stararchitekten und einem durchaus gefälligen Erscheinungsbild des Projekts viele Bozner überzeugt. Das Benko-Projekt war dann auch das beherrschende Thema des Gemeinderatswahlkampfes vom vergangenen Mai. Die eine Hälfte der Südtiroler Volkspartei SVP und die italienische Linke wandten sich gegen das Projekt, das laut Gegnern den Untergang der traditionell klein strukturierten Handelsbetriebe bedeuten würde.

Die Befürworter des Projekts, die italienischen Rechtsparteien und die andere Hälfte der Südtiroler Volkspartei, versprachen sich dagegen eine millionenschwere Investition, mit der das heruntergekommene Bahnhofsviertel wieder aufgewertet werden könnte.

 Mittendrin der gerade wieder im Amt bestätigte Bürgermeister der Stadt, Luigi Spagnolli. Dem Bürgermeister drohte nicht nur wegen des Benko-Projekts der Verlust seiner Gemeinderatsmehrheit. Er verlor sie auch. Ende Juli   stimmten von 44 anwesenden Bozner Gemeinderäten 22 für das Projekt, 19 dagegen. Drei leere Stimmzettel wurden zu den Nein-Stimmen zugerechnet. Die nötige Mehrheit für das Benko-Projekt wurde um eine Stimme verfehlt.