© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/15 / 07. August 2015

Silber mußte eingespart werden
Geld- und Münzwesen: Manipulationen durch die Obrigkeit haben eine lange Tradition
Wolfgang Kaufmann

Der Kosmos des Geldes ist in der Tat ein Kosmos für sich und deshalb allemal der näheren Betrachtung wert. Insofern kann man es grundsätzlich begrüßen, daß das am 7. Juni wiedereröffnete Münzkabinett im Dresdner Residenzschloß nicht einfach nur 3.300 sehenswerte Münzen und Banknoten aus aller Welt und sämtlichen Jahrhunderten seit 600 v. Chr. präsentiert, sondern auch über die zentrale gesellschaftliche Bedeutung des Geldes informieren will. Allerdings steht dieses Thema letztlich dann doch nur in einem der vier Säle im Mittelpunkt, während ansonsten das Konventionelle überwiegt: So schwelgt man begeistert in der 900jährigen Münzgeschichte des meißnisch-sächsischen Raumes sowie im Glanz diverser Medaillen und Orden – natürlich wiederum vor allem aus Sachsen.

Dabei sollte das Kabinett, welches sich nun in den einstigen königlichen Wohnräumen im Georgenbau befindet und auf eine lange Geschichte zurückblickt, die mit den Erwerbungen von Herzog Georg dem Bärtigen (1471–1539) begann, eigentlich erst im Herbst dieses Jahres öffnen. Doch dann erfuhr die Direktion der Staatlichen Kunstsammlungen zu Dresden, daß die Finanzminister und Notenbankchefs der G7-Staaten im Mai 2015 in der Elbestadt tagen wollten. Hieraus ergab sich das Ziel, die Ausstellung schon bis dahin fertigzustellen. Deshalb konnten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und dessen Kollegen dann tatsächlich einen halbstündigen Rundgang absolvieren, wobei dieser Blitzbesuch durchaus symbolische Bedeutung besaß: Die gegenwärtigen Herren des Geldes bestaunten nicht nur die früheren Formen dieses Zahlungsmittels, welche wenig äußere Gemeinsamkeiten mit Euro und Co. haben, sondern ebenso auch das Werk ihrer kongenialen Vorgänger.

Bekanntlich diente das Geld zunächst vor allem der Erleichterung des Tauschverkehrs und kam deshalb immer dann zum Einsatz, wenn einer der beiden Handelspartner keine Naturalien wollte, sondern ein praktischeres und universelleres Äquivalent bevorzugte. Daher mußten die Zahlungsmittel einen realen Warenwert haben, welcher sich in aller Regel daraus ergab, daß sie aus Edelmetallen wie Gold oder Silber bestanden. Das heißt, es kamen Kurantmünzen zum Einsatz, deren Nenn- beziehungsweise Handelswert ihrem Materialwert entsprach. Trotzdem freilich konnte es bereits unter diesen Bedingungen zu einer Geldentwertung kommen, weil die Herrschenden die Währungssysteme auch schon dann manipulierten, als das ganze Finanzwesen noch auf scheinbar gutem Geld beruhte.

Der Edelmetallgehalt wurde abgesenkt

So wurden fast zeitgleich mit der Einführung von Münzen aus Edelmetallen im 7. Jahrhundert v. Chr. von Staats wegen subärate Geldstücke herausgegeben, das heißt Münzen mit einem Bronzekern, um den sich eine mehr oder minder dünne Silber- oder Goldhaut spannte. Besonders beliebt war diese Praxis bei den Münzmeistern der Römischen Republik; zeitweise bestand wohl jeder achte „Silber“-Denar zum Teil aus Bronze. Der Grund hierfür ist in dem Umstand zu suchen, daß die Republik nach dem Zweiten Punischen Krieg bei ihren Bürgern mit einer halben Million Denaren in der Kreide stand und daher um jeden Preis Silber sparen mußte. Durch dieses Vorgehen sank natürlich das Vertrauen in die römische Standardmünze, weshalb sie dann auch von den „Barbaren“ jenseits der Grenzen nicht mehr akzeptiert wurde. Daher kam es ab 117 v. Chr. zur Herausgabe von Denaren mit tiefen Randeinkerbungen, die einen prüfenden Blick ins Innere der Münze erlaubten.

Später wiederum senkte man einfach den Edelmetallgehalt ab: Während der Denar zu Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr. noch 3,7 Gramm Silber enthielt, fiel dieser Anteil unter Nero schlagartig auf 3,1 Gramm. Mit seiner Münzverschlechterung finanzierte der Kaiser den Wiederaufbau Roms nach dem Brand vom Juli 64. Doch es ging noch schlimmer: Bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts mutierte der Denar zu einer reinen Bronze- oder Kupfermünze, welche kurz in flüssiges Silber getaucht wurde, um wenigstens die Illusion von Werthaltigkeit zu vermitteln. Gleichzeitig sollte die Kaufkraft dieses Geldstückes mit einem Feingehalt von gerade noch 0,07 Gramm aber plötzlich doppelt so hoch wie die eines herkömmlichen Denars sein, weil das Porträt des Kaisers auf der Vorderseite der Münze jetzt mit einer Strahlenkrone statt dem üblichen Lorbeerkranz geschmückt war!

Genauso großer Beliebtheit erfreute sich die sukzessive Absenkung des Rauhgewichts, also des Gesamtgewichts der Münze. Hiermit begann der Staat ebenfalls schon in der Antike. Während die ersten Denare, die 211 v. Chr. geprägt wurden, noch 4,5 Gramm wogen, brachten die letzten „Doppel“-Denare vom Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr. gerade einmal 2,6 Gramm auf die Waage.

Diese Strategie der zweifachen Münzverschlechterung fand später zahlreiche Nachahmer, darunter nicht zuletzt zur legendären Zeit der „Kipper und Wipper“ in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Allerdings mußten die Herrscher ihre massenhaft ausgegebenen unterwertigen Münzen am Ende doch immer wieder durch gutes Geld nach altem Schrot und Korn ersetzen, weil die Bevölkerung rebellierte und sich zudem keine Söldner mehr fanden, die bereit waren, ihre Haut für eine solch prekäre Löhnung zu Markte zu tragen.

Staatliche Eingriffe in stabile Währungssysteme

Ansonsten avancierte auch das sogenannte Verrufen von Münzen zu einem höchst beliebten Instrument zur Sanierung der Staatsfinanzen. Dieses wurde vor allem im Mittelalter eingesetzt. Hierbei erklärten die Landesherrn die aktuell im Umlauf befindlichen Brakteaten, dünne einseitig geprägte Silbermünzen, für ungültig, wonach diese von ihren Besitzern umgetauscht werden mußten. Dabei erhielten die letzteren aber oft nur 75 Prozent des Geldes zurück – der Rest floß in die Taschen der Regierenden. Und das passierte teilweise bis zu zweimal im Jahr!

Insofern haben sich die heutigen Verantwortlichen für die Geldverschlechterung und -vernichtung also durchaus mit den Traditionen ihres Metiers befaßt, als sie bei der eiligen Stippvisite im neuen Dresdner Münzkabinett einen Blick auf die erbärmlichen „Taler“ aus der Kipper- und Wipperzeit und andere Resultate obrigkeitlicher Eingriffe in anfänglich stabile Währungssysteme warfen. Nur hat ihnen das bestimmt niemand gesagt – genauso wie der Besucher eher mit der Erinnerung an die glänzende Pracht des Gezeigten nach Hause geht als mit der Erkenntnis, daß die Geschichte des Geldes zu wesentlichen Teilen als Geschichte der staatlichen Währungsmanipulationen daherkommt, vor denen es kaum ein Entrinnen gab.

Gleichfalls wird in Dresden nicht darauf hingewiesen, wie schizophren und ungerecht die Praxis war, daß die großen Geldverschlechterer ungeschoren blieben, während den kleinen Fälschern, die mit ihren „Produkten“ keinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kollaps herbeiführen konnten, allerlei drastische Strafen drohten – beginnend bei der Schwarztätowierung des Gesichts, die im alten China üblich war, über die Kastration sowie das Abhacken der Hände bis hin zur Hinrichtung durch das Eintauchen in kochendes Öl oder das Eintrichtern der eigenen Falsifikate im geschmolzenen Zustand.

Das Dresdner Münzkabinett im Residenzschloß ist täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Telefon: 03 51 / 49 14 20 00

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