© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/15 / 07. August 2015

Mars-Menschen wird es wirklich geben
Der Mond war nicht genug: Ein halbes Dutzend Projekte arbeitet an der Besiedlung des Roten Planeten
Marc Zoellner

Seltsame Kanäle zieren seine Oberfläche, Spuren von Leben finden sich auf seinen Meteoriten: Seit je fasziniert der Mars den Menschen. Zwar wird die Raumsonde „Curiosity“, welche seit August 2012 die Oberfläche des Planeten erkundet, noch eine ganze Weile auf sich allein gestellt sein. Doch in wenigen Jahren könnte sie bereits von Menschenhand gewartet und ihre Forschungsergebnisse von Wissenschaftlern vor Ort ausgewertet werden.

Der Weltraum ist wieder in, wie das große Interesse an den Fotos der Pluto-Sonde „New Horizons“ gezeigt hat. Das Rennen um den Roten Planeten und somit auch um einen künftig bewohnten Mars ist längst keine Science-fiction mehr: Seit geraumer Zeit stehen gleich ein halbes Dutzend Projekte dafür in den Startlöchern. Der Großteil davon stammt aus der Privatwirtschaft; ins Leben gerufen von ambitionierten Unternehmern, von milliardenschweren Philanthropen und werbestarken Produktionsfirmen. Deren Motive sind simpel und einleuchtend: Geschichte zu schreiben und dabei Geld zu verdienen. Denn nirgends läßt sich mehr Profit erwirtschaften als mit der Vermarktung der Kolonisation eines ganzen Planeten, und sei er auch nur halb so groß wie die Erde.

Siedlern stünde ein hartes Leben bevor

Mit dem „Mars One“-Projekt des 38jährigen Bas Lansdorp spielen die Niederländer ganz vorne mit. Als „Reise ohne Rückfahrschein“ hatte der studierte Maschinenbauingenieur seine Idee vermarktet, bei welcher eine Falcon-Rakete ab 2026 zuerst vier, später bis zu vierzig ganz gewöhnliche Bürger als Kolonisten auf den Nachbarplaneten der Erde transportieren wird. Finanziert werden soll Lansdorps Projekt vor allem durch Crowdfunding, den Verkauf von Werbeartikeln sowie die umfangreichste TV-Vermarktung der Geschichte. Trotz der Aussicht auf lebenslange Strandung im Weltall hatten sich über 200.000 Kandidaten als Teilnehmer für die Expedition beworben. Die 100 vielversprechendsten Bewerber sollen noch in diesem Herbst in einem weltweit ausgestrahlten Fernsehevent nach Big-Brother-Manier sondiert werden.

Auch der Tesla-Erfinder und Paypal-Mitbegründer Elon Musk sowie Dennis Tito, der 2001 als erster Weltraumtourist Berühmtheit erlangte, planen bereits ernsthaft Reisen zum Mars. Doch während letzterer im Rahmen seiner gemeinnützigen Organisation „Inspiration Mars“ für 2021 lediglich eine fünfhundert Tage dauernde bemannte Umrundung des Planeten vorsieht, schweben Musk, der durch sein Raumfahrtunternehmen SpaceX bereits praktische Erfahrung gesammelt hat, weit größere Dimensionen vor.

„Auf dem Mars könnten wir eine selbstversorgende Gesellschaft aufbauen und diese zu etwas Gewaltigem anwachsen lassen“, tönte Musk vor drei Jahren am Rande eines Treffens der in London ansässigen Royal Aeronautical Society. Sein Kolonisationsprojekt sieht vor, in den nächsten Jahrzehnten bis zu 80.000 Menschen auf dem Mars anzusiedeln. Ihren Flugschein müßten die jedoch für eine halbe Million Dollar selbst erwerben.

Festkörperforschung vor enormen Herausforderungen

Das Leben auf dem Mars würde für Siedler zu Beginn zweifelsohne hart und entbehrungsreich. Da die dünne Atmosphäre des Planeten hauptsächlich aus Kohlenstoffdioxid besteht, ist sie für Menschen hochgiftig. Temperaturunempfindliche Algen und Bakterien könnten sich in diesem Gemisch jedoch sehr wohl halten und vermehren. In den bisher entworfenen Planspielen würden diese Einzeller den Grundstock für die Gewinnung von Sauerstoff in- und außerhalb der großen Tanks und Container bilden, in welchen die Kolonisten wohnen und arbeiten könnten. Einfache Spaziergänge hingegen seien über Jahrhunderte nicht denkbar; und bis zur Errichtung funktionsfähiger Gewächshäuser und Recyclingsysteme seien die Siedler auch nahrungsbedingt von Lieferungen von der Erde abhängig.

Die innere Uhr der Kolonisten bräuchte sich nicht groß umzugewöhnen: Mit 24 Stunden und vierzig Minuten ist ein Marstag, Sol genannt, nur unwesentlich länger als jener auf der Erde. Rund 687 Tage betrüge hingegen ein Marsjahr, und auch das Wetter ist gewöhnungsbedürftig: So schwanken die Temperaturen auf der Oberfläche zwischen 20 Grad plus und 80 Grad minus. Die immense Beanspruchung gerade der Materialien für Unterkünfte und Außenbereiche stellt die Festkörperforschung noch immer vor gravierende Probleme. Denn Ersatzteile wären von der Erde nur nach langwieriger Planung zu erhalten. Überdies müßten die Siedlungsbauten auch der Zerstörungskraft der marsianischen Frühlingsstürme trotzen können. Mit Windgeschwindigkeiten von rund 400 Stundenkilometern sind diese nur noch mit jenen Zyklonen vergleichbar, die auch auf der Erde jährlich Tausende Todesopfer fordern.

Doch sogar für die US-Raumfahrtbehörde Nasa sind Ausflüge zum Mars längst keine bloßen Gedankenspiele mehr. Seit März verweilt deren Astronaut Scott Kelly zusammen mit seinem russischen Kollegen Michail Kornijenko für insgesamt ein Jahr auf der Internationalen Raumstation ISS, um die Auswirkungen langer Schwerelosigkeit sowie der dauerhaften Isolation auf Psyche und Körper zu erforschen und anschließend, nach erfolgreicher Landung zurück auf der Erde, zu erproben, inwieweit Tätigkeiten wie die Errichtung lebenserhaltender Systeme und Siedlungscontainer, unumgängliche Szenarien für eine Besiedlung des Mars, den Raumfahrern noch zumutbar sind.

Schon 2025 soll die erste Orion-Rakete der Nasa eine Handvoll Astronauten auf erdnahen Asteroiden absetzen, um deren wirtschaftliche Ausbeutbarkeit zu beweisen. Gut zehn Jahre später sind auch eigene Flüge auf den Mars vorgesehen; möglicherweise sogar in Kooperation mit dem Aurora-Projekt der europäischen Raumfahrtbehörde E, die eine bemannte Landung auf dem Roten Planeten für 2033 vorsieht. Und eines scheint bereits festzustehen: Welches dieser Projekte auch immer zuerst die Ziellinie des Rennens um den erdnahen Nachbarn passieren wird, „Curiosity“ darf bald schon in menschlicher Gesellschaft die wunderschönen Sonnenuntergänge des Mars genießen.

 www.mars-one.com

 www.nasa.gov/

  www.esa.int