© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/15 / 14. August 2015

Grüße aus Tokio
Sayonara Nippon
Albrecht Rothacher

Vier Jahre in Japan gehen zu Ende. Ich habe das schon einmal vor 25 Jahren erlebt. Nach vier Jahren hast du die Schnauze voll von all jenen Konventionen, Sprachlosigkeiten und der sozialen Isolation in einem  fremdkulturellen, doch gleichzeitig hochzivilisierten und nunmehr langsam sterbenden und bankrotten Land, das deine Diagnose nicht wahrhaben will. 

Alles drängt mich nach Deutschland, Österreich und Europa. Ich gehe selbst kaum noch in japanische Lokale, selbst Inder, Mexikaner oder Italiener sind mir lieber, oder auch pseudo-deutsche Würstel-Bierstuben – die Würste geraten immer viel zu klein, aber das Bier ist in Ordnung–, oder bestenfalls mit einer ungarischen Freundin in eine Izakaya, eine japanische Bierschwemme der Büroangestellten (Salarymen).

Was nervt an diesem so friedlichen, netten Völkchen eigentlich? Die Autofahrer sind rücksichtsvoll. Das Verkaufspersonal und die Kellner superhöflich. Die Züge und U-Bahnen picobello sauber und pünktlich. Und wenn jemand sich danebenbenimmt, sind es Ausländer. Niemand beraubt dich, außer man geht in obskure Diskos in den gangsterkontrollierten Vierteln von Roppongi oder Kabukicho in Tokio. Alles ist sicher und geregelt.

Die Hitze, verbunden mit Taifunen und leichten Erdbeben erleichtert die Entscheidung.

So sicher, geregelt, langweilig und vorhersehbar ist alles, daß ich keine Lust mehr habe, irgendwohin mehr zu fahren. Selbst an Orte mit den verlockendsten Verheißungen, den heißesten Quellen, den meisten Tempeln. Ohnehin betrügen fast alle Tourismusprospekte. Selbst die mieseste Industriestadt wird darin zum grün-historischen Entspannungszentrum. 

Bei allen Empfängen die gleichen Fragen: Woher kommst du? Aus Deutschland. Woher dort? Ich sage immer: Heidelberg. Stimmt zwar um vierzig Kilometer nicht ganz. Aber das kennen sie. Dann dreht sich die Unterhaltung um Bier, deutsches Essen, ob ich japanisches Essen vertrage, Frau Merkel, Fußball, und wenn man Glück hat, um Beethoven, Max Weber und den deutschen Entschuldigungswahn für den gemeinsam verlorenen Krieg.

Aber es ist im Grunde immer das gleiche und zugegebenermaßen ist mein Japanisch  zu schlecht, um eine vernünftige Unterhaltung lange genug aufrechtzuhalten. Deshalb ist es Zeit zu gehen. Die aktuelle Hitzewelle, verbunden mit Taifunen und dauernden Vulkan-ausbrüchen und leichten Erdbeben erleichtert es. Nach spätestens einem Jahr in Europa werde ich sicher wieder nostalgisch werden.