© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/15 / 21. August 2015

Protest als Pose
Linksextremismus: Der Jenenser Jugendpfarrer Lothar König tritt vor allem mit seinem politischen Engagement in Erscheinung
Rafael Kaiser

Viele Christen haben 1989 geholfen, die DDR zu Grabe zu tragen. Manche haben sich danach wieder aus der Politik zurückgezogen, andere sind bis heute dabei geblieben, und einige haben sich der radikalen Linken zugewandt, die sie einst bekämpften. Zur letzten Gruppe gehören der evangelische Jugendpfarrer Lothar König aus Jena und seine Unterstützer aus der Politik, allen voran Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD).

Der streitbare Seelsorger König betreut seit Ende der achtziger Jahre die „Junge Gemeinde Stadtmitte“ (JG) in der Saalestadt. Das Gemeindehaus liegt inmitten der Altstadt und ist mittlerweile zu einer Art Touristenattraktion geworden. Weniger, weil das Gebäude wie das Domizil eines christlichen Hirten wirkt, sondern eher wie ein von „Autonomen“ besetztes Haus. Abgesehen vom verpachteten Ladengeschäft im Erdgeschoß ist das Gebäude mit diversen Demo-Aufrufen oder revolutionären Konzertplakaten beklebt und teils mit Graffiti beschmiert. Vor dem Gebäude finden in der Fußgängerzone häufiger von der JG organisierte Demonstrationen und Kundgebungen mit teils martialisch gekleideten Punkern und Linksextremisten statt. In der langen Hofeinfahrt hat ein Künstler vor einigen Jahren die Wände mit dem Adler des Dritten Reiches verziert, der in zahlreichen Versionen religiöse und politische Symbole trägt – darunter auch das Hakenkreuz.

Pfarrer König begegnet den Jenensern häufig im Umfeld seines Dienstgebäudes. Aufgrund seines charakteristischen Aussehens – mit seinem grauen Vollbart erinnert er an einen kettenrauchenden Karl Marx – wird er meist gleich erkannt. Außer bei linken Politikern und radikalen Studenten bewirkt sein Auftreten in der Saalestadt allerdings häufig ein Kopfschütteln statt Bewunderung.

Ein Bambuskäfig für den Papst

Dabei hatte Königs Geschichte vielversprechend angefangen. 1968 hatte er, durchaus mutig, Partei für die tschechoslowakischen Reformer um Alexander Dubcek ergriffen. Nach dem Engagement in der Jenaer Bürgerbewegung zur Wendezeit hatte er dann in seiner Gemeinde versucht, dem in den neuen Ländern aufkommenden Rechtsextremismus den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er sich um Jungen und junge Männer kümmerte, die in die Nazi-Skinheadszene abzudriften drohten oder bereits dort angekommen waren. Nachdem seine Tochter Katharina, die heute als Abgeordnete für die Linkspartei im Erfurter Landtag sitzt, von Skinheads verprügelt wurde, gab er den Integrationskurs auf und suchte die harte Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten. Damit hatte er sein Thema gefunden. Mit der Folge, daß König sich heute mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus der linksextremistischen Antifa-Szene umgibt, die kaum als verfassungstreu bezeichnet werden können. 

Durch die Zusammenarbeit mit den extremistischen Antifas begann der Pfarrer vielen Jenensern allmählich kräftig auf die Nerven zu gehen. Über seinen Sitz im Stadtrat, erst für die Grünen, nun für die „Bürger für Jena“, trug er beispielsweise dazu bei, daß von der JG betreute bierselige junge Männer aus der Punk-Szene, die täglich vor dem Eingang eines Universitätsgebäudes in der Nähe des Hauses der Jungen Gemeinde herumlungerten und sich regelmäßig im Innenhof erleichterten, nicht vertrieben wurden. Ebenso fielen einige „Königskinder“ dadurch negativ auf, daß sie in der Innenstadt aggressiv um Geld und Zigaretten bettelten und Passanten beschimpften.

Vor einigen Jahren wollte die JG einen der Fußballplätze in der Stadt nutzen. Dem Jugendpfarrer wurde dafür ein Areal im von dem Gemeindehaus recht weit entfernten Stadtteil Winzerla angeboten, was er aber ablehnte. Stattdessen legten einige JG-Jugendliche Holzlatten auf den Zaun eines attraktiveren Platzes nahe dem Abbe-Sportfeld, um die Begrenzung zu überwinden und dort ohne Genehmigung zu spielen.

Die katholischen Gläubigen in Jena provozierte Lothar König im September 2011 anläßlich des Deutschland-Besuches von Papst Benedikt XVI. mit einem Bambuskäfig für den Pontifex, den er vor dem Gebäude der JG über der Fußgängerzone aufhängte. Ein Jahr später wurde sogar eine mannsgroße Puppe von Benedikt im Käfig aufgehängt. 

So richtig deutschlandweit bekannt wurde der Geistliche aber erst im Februar 2011, als er mit seinen antifaschistischen „Königskindern“ in Dresden auf einer Demonstration gegen eine Versammlung von Rechtsextremisten zum Gedenken an die Luftangriffe 1945 über Lautsprecher zur Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben soll („Deckt die Bullen mit Steinen ein“). Die sächsische Polizei durchsuchte daraufhin im August desselben Jahres sein Dienstgebäude und beschlagnahmte einen auf der Demonstration als Lautsprecherwagen genutzten VW-Transporter. Daraufhin mußte sich König in Dresden vor Gericht verantworten, kam im Juni 2014 aber mit einer Geldauflage von 3.000 Euro davon (JF 47/14).

Bezeichnend war allerdings die Reaktion großer Teile der Presse und der örtlichen Politik auf das Verfahren gegen König. Vertreter der thüringischen SPD und der Grünen sowie der evangelischen Kirche kritisierten die Ermittlungen gegen den Pfarrer heftig und stellten sich bedingungslos an seine Seite. Kritik an seiner Unterstützung linksextremistischer Gruppen war von dieser Seite nicht zu hören. Den Gipfel der Königstreue leistete sich der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD), seines Zeichens ebenfalls evangelischer Theologe und ehemaliger Seelsorger, als er seinem Ex-Kollegen Lothar im Juni 2013 noch während des laufenden Verfahrens den mit 1.000 Euro dotierten „Jenaer Preis für Zivilcourage“ verlieh. 

Der Oberbürgermeister bringt Sekt vorbei

Zeitgleich erhielt der Pfarrer einen wie eigens für ihn geschaffenen „Demokratiepreis“ des Erfurter Sozialministeriums, der ihm weitere 2.000 Euro einbrachte. Als der von der Staatsanwaltschaft Dresden konfiszierte VW-Bus im Januar 2015 an Lothar König zurückgegeben wurde, stand OB Schröter mit einer Sektflasche und Medienaufgebot vor dem JG-Gebäude, um persönlich anzustoßen.

Es stellt sich die Frage, wieso Lothar König und Freunde wie Schröter vor und während der Wende so viel richtig und danach bis heute so viel falsch gemacht haben. Eine Antwort gibt der Jugendpfarrer selbst: „Ich bin ein Provokateur, seitdem ich denken kann.“

Da betrügt er sich nach Ansicht seiner Kritiker allerdings mittlerweile selbst. In seiner Jugend hat er tatsächlich provoziert und dabei nicht wenig riskiert, weil er eine von den Mächtigen deutlich abweichende Ansicht vertrat. Heute macht er es tatsächlich genau andersherum: Er paßt sich dem politischen Zeitgeist an. Sein „provokatives“ und krawalliges Gebaren stellt dabei nur eine Pose dar, die sich in einer Mediendemokratie gut verkaufen läßt.

Foto: Jugendpfarrer Lothar König: Einst hat er Partei für Alexander Dubcek ergriffen