© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/15 / 21. August 2015

Londoner Hängepartie des Wikileaks-Chefs geht weiter
Justizskandal: Obwohl mehrere Verfahren gegen Julian Assange eingestellt sind, wird er weiter einsitzen – womöglich bis 2020
Ronald Gläser

Eine aufregende Woche liegt hinter Julian Assange. Zunächst hatte der Wikileaks-Gründer eine neue Aktion gestartet, mit der er an geheime TTIP-Unterlagen herankommen will. Am Ende der vergangenen Woche lösten sich seine Hoffnungen in Luft auf, er könne sein Londoner Botschaftsasyl nach mehr als drei Jahren endlich verlassen. Möglicherweise wird der Australier weitere fünf Jahre dort verweilen müssen.

Doch der Reihe nach: Zunächst war der 44jährige in die Offensive gegangen. Seine Organisation kündigte in einem zehnminütigen Film an, sie werde Insidern 100.000 Euro für Geheimunterlagen aus den Verhandlungsrunden zu TTIP zahlen.

Das ist ungewöhnlich, weil Wikileaks bislang in der Regel kostenlos von Informanten versorgt worden sein dürfte. Geld für Informationen – große Medien zahlen vermutlich oft, hängen es aber nie an die große Glocke. So etwas kann sich die Internetseite, die ihre Informationen kostenfrei der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, nicht leisten. Also bat Assange zeitgleich um Spenden, um die 100.000 Euro mittels Crowdfunding zusammenzubekommen.

Feuilletonisten debattierten noch die Frage, ob das Bezahlen von Informanten moralisch gerechtfertigt sei, da platzte am Donnerstag die Bombe: Die schwedische Justiz stellt das Verfahren gegen Assange wegen Belästigung und Nötigung ein – weil diese Fälle verjährt sind.Gleichzeitig wird das Verfahren wegen Vergewaltigung aber aufrechterhalten. Dieser Straftatbestand würde erst 2010 verjähren. Assange konnte seine Enttäuschung kaum verbergen. In einer Erklärung unterstrich er: „Ich bin nie angeklagt worden.“ 

Die Schweden hätten ihn in der Botschaft aufsuchen oder ihm zusichern können, ihn nicht an die USA auszuliefern. Beides hätten sie abgelehnt. Assange droht im Falle der Auslieferung an die USA eine langjährige Haftstrafe. 

Wikileaks. Enthüllungsplattform www.wikileaks.org