© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/15 / 21. August 2015

Knapp daneben
Rechtstreue rentiert sich nicht
Karl Heinzen

Drei Millionen Pfund sollen es gewesen sein, um die Steve Dagworthy seine Kunden mit einem illegalen Schneeballsystem erleichterte, als er noch Finanzmakler in der Londoner City war. Drei Jahre Gefängnis waren die Prämie, die er dafür erhielt, als der Schwindel aufflog.

Diese doppelte Qualifikation ist die Grundlage für ein Geschäftsmodell, das Dagworthy nach seiner Haftentlassung erfolgreich umgesetzt hat. Mit seiner Firma „Prison Consultants“ hilft er Wirtschaftskriminellen, sich auf die Zeit hinter Gittern vorzubereiten. Da seine Klientel überwiegend nicht im klassischen Verbrechermilieu sozialisiert wurde, steht sie den Herausforderungen, die im neuen Lebensabschnitt auf sie warten, oft sehr unsicher gegenüber. Dagworthy nimmt seinen Kunden die Ängste. Nein, sie müssen nicht befürchten, ständig vergewaltigt oder verprügelt zu werden. Aber auf etwas rauhere Umgangsformen sollten sie sich schon gefaßt machen. Vor allem jedoch sind es Praxistips zu den zahlreichen kleinen Fragen des Gefängnisalltags, die er ihnen mit auf den Weg in die Zelle gibt.

Wer heute Manager wird, muß einen Gefängnisaufenthalt in seiner Karriereplanung berücksichtigen.

Der Markt, auf dem sich Prison Consultants bewegt, boomt – und das nicht nur in Großbritannien. Allein die Deutsche Bank ist aktuell in 7.000 juristische Verfahren verstrickt, was in dem einen oder anderen Fall auch zur Personalabstellung an Strafvollzugsanstalten führen könnte. Doch es ist längst nicht mehr nur die Finanzbranche, die mit einem Bein in der Illegalität steht. Der Wettbewerbsdruck ist in der gesamten Wirtschaft so groß, daß sich Rechtstreue nicht rentiert. Wer heute Manager wird, muß einen Gefängnisaufenthalt in seiner Karriereplanung berücksichtigen.

Der Rechtsstaat kann sich aber nicht damit begnügen, illegale Geschäfts­praktiken zu ahnden. Er muß Unternehmen, in denen sie zur Regel werden, als kriminelle Vereinigungen auflösen. Vor Gericht haben sich dann nicht nur die Manager, sondern alle Beschäftigten zu verantworten. Grundkenntnisse über das Leben hinter Gittern dürfen daher nicht den Führungskräften vorbehalten bleiben. Sie sollten zum selbstverständlichen Lernstoff einer jeden Berufsausbildung gehören.