© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/15 / 28. August 2015

Carsten Rentzing. Sachsens designierter Landesbischof tritt nun sein Amt an
Der Konservative
Sabrina Moritz

Als am Nachmittag des 31. Mai 2015 feststand, daß die Synode der sächsischen Landeskirche den Konservativen Carsten Rentzing zum neuen Bischof gewählt hatte, lag ein dramatischer Abstimmungskrimi hinter den Synodalen. Erst im sechsten Wahlgang siegte Rentzing – mit der denkbar knappen Mehrheit von 40 zu 38 Stimmen.

Unbändiger Jubel und der Aufschrei der Entsetzten tönen seither etwa gleich stark. Während das evangelikale Nachrichtenmagazin Idea Spektrum den designierten Bischof emphatisch auf die Titelseite setzte, ist die Verbitterung im linksliberalen Milieu groß, wo bereits eine Petition gegen Rentzing läuft: Daß von den insgesamt vier Kandidaten ausgerechnet der einzige konservative gewählt werden würde, hatte dort niemand erwartet.

Dabei erstaunt das nicht, denn der Pfarrer aus Markneukirchen im Vogtland ist kein Mann polarisierender Auftritte. Der beharrliche Ausdauersportler (Marathonlaufen, Bergsteigen) weiß, daß sein Ziel nicht erreicht, wer sich zu früh verausgabt. Geboren 1967 in Berlin-Spandau, nahm der Abiturient zunächst das Studium der Rechtswissenschaft auf. Das Berliner Streiksemester 1988/89, in dem linke Studenten Hörsäle besetzten und autonome Seminare veranstalteten, zwang ihn zu einer Pause: Rentzing entschloß sich, Theologie zu studieren. 

Das Vikariat führte ihn nach Sachsen. In Leipzig geriet er mit seiner Dissertation über „Die Rede vom Bösen bei Karl Barth und Martin Luther“ schnell in die ideologischen Streitigkeiten an der theologischen Fakultät. Das Böse, geschweige denn „der Böse“, galt vielen dort als nicht zeitgemäß. Dennoch war Rentzing als promovierter Pfarrer fortan ein gerngesehener Referent. Er wurde Synodaler in Landeskirche und EKD und schließlich Vizepräsident der VELKD, des Zusammenschlusses der lutherischen Landeskirchen. 

Als im Januar 2012 die sächsische Kirchenleitung beschloß, homosexuelle Partnerschaften in Pfarrhäusern zu gestatten, avancierte Rentzing zum Spiritus rector der „Sächsischen Bekenntnis-initiative“, die sich im Widerspruch zu dieser Entscheidung gründete und über 130 Kirchgemeinden, 160 Landeskirchliche Gemeinschaften sowie über 600 Einzelpersonen hinter sich versammelte. Er erreichte einen Kompromiß, der Ehe und Familie als christliche Leitbilder wahrt, homosexuelle Partnerschaften im Pfarrhaus auf seelsorgerliche Einzelfälle beschränkt und von der Zustimmung der Kirchenvorstände abhängig macht.

Kompromisse zu finden, die das Bekenntnis der Kirche wahren, ohne ihre Einheit zu gefährden, dürfte die größte Herausforderung Rentzings sein, der am 29. August ins Amt eingeführt wird. Daß er eine Trendwende einleitet, ist zwar unwahrscheinlich. Doch auch wer sagt, man dürfe keine Wunder erwarten, irrt. Denn wo sind Wunder möglich, wenn nicht in einer Kirche, die ihren Auftrag wieder ernst nimmt?