© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/15 / 28. August 2015

Insolvent und trotzdem gefragt
Imtech: Der Abstieg eines Traditionsunternehmens zur Skandalfirma / Commerzbank droht Millionenverlust
Christian Schreiber

Anfang des Jahres versuchte der finanziell klamme Fußball-Bundesligist Hamburger SV ein wenig Geld nebenbei zu verdienen. Mit einer Internet-Auktion bot er die Buchstaben des ehemaligen Stadion-Sponsors Imtech zum Verkauf an. Die moderne Arena heißt seit einigen Monaten wieder Volksparkstadion. Die Fans hatten dies vehement gefordert, ein finanzkräftiger Investor erfüllte ihnen diesen Wunsch.

Für die niederländische Baufirma, die zuvor über Jahre als gönnerhafter Sponsor im deutschen Fußball unterwegs war, bedeutete dies das Aus in Sachen Sportförderung. Bereits zuvor hatte man beim ehemaligen Zweitligisten VfR Aalen die Segel gestrichen, dort wollte die Deutschland-Sektion des Unternehmens mit den ganz Großen im Konzert mitspielen. Imtech-Leute kandidierten sogar für Posten im Wirtschafts- und Aufsichtsrat. Doch der finanzielle Kollaps riß auch den bis dato bieder-soliden schwäbischen Verein in die roten Zahlen. Mittlerweile ist der VfR abgestiegen und hat riesengroße finanzielle Probleme, und bei Imtech kehrt man die Scherben zusammen.

Sanierungsexperten sehen eine gute Marktperspektive

Eine Reihe von gravierenden Fehlentscheidungen in Deutschland hat den niederländischen Gebäudeausrüster in die Insolvenz getrieben. Das 22.000 Mitarbeiter starke Unternehmen beantragte am Dienstag der vergangenen Woche in Rotterdam Gläubigerschutz, nachdem die Verhandlungen über 75 Millionen Euro an neuen Krediten gescheitert waren. „Der Name Imtech steht für Prestigebauten in ganz Europa, ja der ganzen Welt. Wer Kraftwerke, Stadien, Flughäfen oder seine eigene Konzernzentrale bauen wollte, setzte für viele Ingenieursleistungen auf Imtech“, schrieb das Handelsblatt quasi als Nachruf.

„Es ist die wirtschaftlich beste Lösung, Imtech unter neuer Eigentümerschaft fortzuführen“, hieß es in einer Stellungnahme des vorläufigen Insolvenz­verwalters Peter-Alexander Borchardt. Das Unternehmen beziehungsweise das, was von ihm übrigbleiben wird, steht zum Verkauf. Und laut Aussagen der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young (EY) gibt es zahlreiche Kaufinteressenten: „Wir haben bereits jetzt mehr als 40 qualifizierte Anfragen erhalten“, erklärte Borchardt im Nachrichtensender n-tv.

Die Pleite des in der Vergangenheit sehr öffentlichkeitswirksam agierenden Konzerns hat die Baubranche aufgeschreckt. Und nicht nur die. An über 900 Baustellen im Bundesgebiet sind derzeit Imtech-Arbeiter beteiligt. Die bekannteste davon ist das Sorgenkind der Nation: der Hauptstadtflughafen BER. Droht dort nach einer jahrelangen Pannenserie weiteres Ungemach? Man habe mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters eine entsprechende Vereinbarung mit Imtech geschlossen, teilte die Flughafengesellschaft nach einer Sitzung des Projektausschusses im Aufsichtsrat eiligst mit.

Offenkundig ging es darum, Politik und Investoren nicht noch mehr zu verschrecken. Flughafenchef Karsten Mühlenfeld sagte gegenüber dem Spiegel, die Vereinbarung mit Imtech sei „eine erste wichtige Entscheidung, um die Folgen der Insolvenzankündigung von Imtech für den BER so gering wie möglich zu halten. Die Kontinuität der Bauarbeiten ist damit gewährleistet.“

An prestigeträchtigen Bauten verhoben?

Der Absturz des deutsch-niederländischen Großkonzerns, der auf eine Tradition von mehr als 150 Jahren zurückblicken kann, ist beispiellos. 600 Millionen Euro nahm der Mutterbetrieb Royal Imtech vor zehn Monaten am Kapitalmarkt auf. Vorige Woche war das Unternehmen an der Börse aber nur noch 15 Millionen Euro wert.

Einer der größten Verlierer ist dabei die in Finanzkrise 2009 notgedrungen teilverstaatlichte Commerzbank. Einst als Garant für seriöse Mittelstandsförderung gepriesen, hat sie sich offenbar von den prestigeträchtigen Bauten wie Flughäfen und Fußballstadien blenden lassen. Sie zeichnete noch vor nicht allzu langer Zeit Imtech-Aktien für 70,8 Millionen Euro.

Aktuell ist das Paket noch ganze 1,7 Millionen Euro wert – 97 Prozent weniger, in der Branche nennt man dies einen Totalverlust. 11,8 Prozent des gesamten Aktienpakets hält das Bankhaus seit Herbst 2014, doch die Beteiligung ist nach dem Absturz der Aktien auf je 30 Cent fast nichts mehr wert. Zudem gehört die Bank auch noch zu den größten Kreditgebern des insolventen Betriebs, immerhin seien diese Gelder fast ausschließlich an die deutsche Tochter geflossen, für die es laut Experten eine gute Marktperspektive gibt. Sanierungsexperten sehen vor allem Baudienstleister wie die französische Spie und Caverion aus Finnland als potentielle Käufer. Bis zur geplanten Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Spätherbst müsse zumindest klar sein, wer als Käufer in Frage komme. „Das wird recht schnell gehen, denn das Interesse ist da“, zitiert das Handelsblatt ein Mitglied der bisherigen Konzernspitze.

Klar scheint aber jedenfalls zu sein, daß es zu einem erheblichen Schwund an Mitarbeitern kommen wird. Bereits in den vergangenen Jahren verringerte sich die Zahl der Imtech-Belegschaft um mehr als zehn Prozent. In Belgien und den Niederlanden wurden bereits erste Firmenzweige verkauft. Dadurch sollen rund 9.000 Stellen gesichert werden. Aber: Den Konzern in seiner bisherigen Form wird es so nicht mehr geben.

Zum Verhängnis wurde ihm ausgerechnet ein Prestigeprojekt. Beim hochkomplexem technischen Umbau der 155 Meter hohen Zwillingstürme der Deutschen Bank in Frankfurt gab es jahrelage Verzögerungen und auch Korruptionsfälle. Danach ging es steil bergab. Und die Buchstaben im Hamburger Stadion sind auch längst verkauft.





Skandalbaustelle Flughafen BER

Ursprünglich sollte das drittgrößte internationale Drehkreuz Deutschlands, der Flughafen Berlin Brandenburg (BER), bereits 2007 seinen Betrieb aufnehmen. Doch schon der Beginn der Bauarbeiten auf Europas größter Flughafenbaustelle verzögerte sich bis 2006. Der Stadtflughafen Berlin-Tempelhof wurde zwar schon 2008 geschlossen, aber die schließlich für 2012 geplante BER-Eröffnung scheiterte an schwerwiegenden Baumängeln. Die in der Besatzungszeit entstandenen Altflughäfen Tegel und Schönefeld arbeiten seither an ihrer Kapazitätsgrenze. Inzwischen wird das zweite Halbjahr 2017 als BER-Starttermin kolportiert – doch auch der könnte in Gefahr geraten, da eines der wichtigsten Bauunternehmen – Imtech – am 6. August Insolvenz anmeldete. Der Insolvenzverwalter der Gebäudetechnikfirma erlaubte zwar vorerst die Fortsetzung der Imtech-Bauarbeiten. BER-Chef Karsten Mühlenfeld hat dennoch sofort eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die den Eröffnungstermin erneut „prüft“.

Kritikerseite zum Flughafenprojekt BER:  www.istderberschonfertig.de

Imtech Deutschland GmbH & Co. KG:  imtech.de/