© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/15 / 28. August 2015

Land unter beim „Spiegel“
Printkrise: Die Auflage des Hamburger Nachrichtenmagazins sinkt noch schneller als der Branchendurchschnitt
Markus Schleusener

Georg Altrogge hat die Startseite seines Browsers geändert. Wenn der Verlagsmanager neuerdings sein Laptop startet, dann erscheint dort nicht mehr Spiegel Online, was für ihn 15 Jahre lang die wichtigste Quelle war. In einem Blogbeitrag schimpft er: „Ich will als Leser nicht wie ein Idiot behandelt werden.“  Altrogge ärgert sich über „gutmenschelnde Konzepte“ und bezeichnet Spon als „konfus“ und „langweilig“.

Altrogge ist nicht irgend jemand. Er ist Geschäftsführer von Meedia, dem einflußreichsten Branchendienst, der über alles berichtet, was mit deutschen Medien zu tun hat. Wenn jemand wie Altrogge („Früher war Spiegel Online eine Klasse für sich“) nun öffentlich erklärt, er schenke dem Spiegel jetzt weniger Beachtung, dann hat das Gewicht. 

So eine Wortmeldung ruft mehr Stirnrunzeln bei der Verlagsleitung in der Hamburger Speicherstadt hervor als ein x-beliebiger Leserbrief. Und das in einem Moment, in dem die Chefs des Verlags geglaubt hatten, die Talsohle nun endlich durchschritten zu haben. Gerade hatte der neue Geschäftsführer Thomas Hass zwei neue Verlagsleiter ernannt und damit die personelle Erneuerung abgeschlossen. Sie war notwendig geworden, nachdem sein Vorgänger Ove Saffe und der letzte Chefredakteur Wolfgang Büchner aus dem Amt gedrängt worden waren. 

Während um die Macht im Verlag gekämpft wird, rutscht das Magazin immer stärker ab. Optisch und inhaltlich. Der gedruckte Spiegel, nach wie vor die Milchkuh des Verlags, hat layouttechnisch nachgelassen. Neuerdings werden Artikel zweitklassig oder mangels Fotos mit nichtssagenden Zeichnungen bebildert. So etwa der Beitrag über kriminelle Internetnutzer vor einer Woche. 

Früher wäre so eine Geschichte ohne Foto auf eine Seite zusammengedampft worden. Auch ist die Blattlinie viel eintöniger als etwa unter Stefan Aust, der bis 2008 Spiegel-Chef war. Heute geben Autoren wie Jakob Augstein mit seiner Kolumne „Im Zweifel links“ den Takt vor. Eine unkritische Geschichte zum Asylzustrom jagt die nächste. 

Die Leser goutieren das nicht. Die Auflagenzahlen vom zweiten Quartal waren ein Blutbad für die Hamburger: minus 5,8 Prozent in nur einem Jahr. Mit nur noch 822.000 verkauften Exemplaren liegt der Spiegel fast 200.000 unter seiner Auflage im Jahr 2000, als Georg Altrogge, das Onlinependant als seine Startseite eingerichtet hatte.