© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/15 / 04. September 2015

Marine Le Pen rechts überholen
Frankreich: Akribisch arbeitet Ex-Präsident Nicolas Sarkozy an seinem Comeback, doch viele Franzosen wollen seine Skandale nicht vergessen
Katharina Puhst

Wer Veränderung will, muß Veränderung schaffen, lautet die Devise von Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2017. Seit September 2014 arbeitet er akribisch an seinem Comeback. Im November 2014 stieg er wieder in den Ring, eroberte mit 64,5 Prozent den Parteivorsitz und fühlte sich durch den Erdrutschsieg bei den Departementswahlen 2015, bei der die Union für eine Volksbewegung (UMP) von 66 von insgesamt 100 Departements gewählt wurde, bestätigt. Im Anschluß ließ er den Parteinamen in „Die Republikaner“ umbenennen und forcierte, während viele Politiker noch im Sommerurlaub weilten, den Kampf gegen die Sozialisten und in erster Linie gegen den Front National. 

Front National geißelt Sarkozys „leere Phrasen“  

Vor allem in seiner Amtszeit von 2007 bis 2012 hatten sich immer mehr enttäuschte Wähler von der UMP ab- und Marine Le Pens Front National (FN) zugewandt, so daß dieser bei den Parlamentswahlen 2012 9,11 Prozent gewann und die UMP einen Rückgang der Wählerstimmen von 12,42 Prozent erlitt. Sarkozy zog die Konsequenzen und zog sich weitgehend aus der Politik zurück. 

Für den Front National zu stimmen, sei mit der Wahl der Linken gleichzusetzen und führe zu keinerlei Veränderung in der Politik, erklärte Sarkozy im Gespräch mit dem französischen Magazin Valeurs actuelles. Der FN könne dem Land allein schon aufgrund des wütenden Familienkriegs – gemeint ist das Zerwürfnis zwischen der Parteivorsitzenden Marine Le Pen und ihrem Vater und Parteigründer Jean-Marie Le Pen (JF 36/15) – keine Hilfe sein. Ziel der Partei sei nun, einen gemeinsamen Nenner für die Rechtswähler und die der Mitte zu finden, um die verirrten Schäfchen in den Schoß der Partei zurückzuführen. Denn nur durch die Republikaner seien glaubhafte und dauerhafte Antworten gewährleistet. Um die Bevölkerung davon abzubringen, den Front National zu wählen, müßten die Republikaner „ihnen Lösungen für ihre Ängste liefern und sie nicht verachten oder ihnen gar Lektionen erteilen“, ermutigt Sarkozy seine Partei.

In einer Twitter-Meldung spottete Marine Le Pen: „Nicolas Sarkozy will uns glauben machen, daß er mit 60 Jahren eine Politikerkarriere beginnen möchte, in der er sein Wort hält.“ Der stellvertretende Vorsitzende Florian Philippot belächelt vor allem Sarkozys „leere Phrasen“: „Ich habe den Eindruck, es handelt sich bei Nicolas Sarkozy um „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Wissen Sie, der Film, in dem man jeden Morgen aufwacht, es immer dieselbe Geschichte ist und die 15 Jahre andauert.“

Insgeheim erhofft sich der Ex-Präsident, seine Vergangenheit gerate in Vergessenheit: Dazu gehören die Affäre Bygmalion, in der Sarkozy seine aus dem Ruder gelaufenen Wahlkampfkosten heimlich durch Parteigelder deckte; der Skandal, als einer seiner Mitarbeiter abgehörte Gespräche in die Öffentlichkeit brachte; etwa 755.000 mehr Arbeitslose sowie die Stellenstreichung von 80.000 Lehrkräften.

Fällt die Diskussion darauf zurück, zeigt sich Sarkozy reumütig und bemüht immer wieder das Wort „Vertrauen“.  Wenn er eines festgestellt habe, sagte er, so sei es der tiefe Vertrauensverlust der Franzosen, und um jenes wiederzuerlangen, benötigten sie jemanden, der ihre Probleme kenne und „der Wahrheit ins Gesicht sehe“.

Franzosen wollen neue Gesichter sehen 

Terrorismus, innere Sicherheit und Migration sind seine Lieblingsthemen.   Sorgenvoll richtet er den Blick auf die Entwicklungen in Afrika. Die Zahl der Einwohner werde dort in den nächsten 30 Jahren von einer Milliarde auf 2,3 Milliarden Einwohner ansteigen, konstatiert Sarkozy und fragt im Hinblick auf die zu Erwartende massierte Zuwanderung: „Werden wir Personen, die sich in ungeregelten Situationen befinden, auf Dauer noch Sozialhilfen zahlen können. Dies vor dem Hintergrund, daß unser Sozialsystem bereits eine ordentliche Finanzlücke aufweist? Die Antwort lautet nein.“

Die Flüchtlingswelle bezeichnet der 60jährige lapidar als „Wasserschaden“. Es gebe kein Geld, keine Arbeitsplätze und keinen Wohnraum mehr. Daher, so der ehemalige Präsident, sei es an der Zeit, die Zuwanderer schon an der Grenze abzuweisen.

Parallel dazu will Sarkozy die Steuerabgaben senken und den sozialistischen Dogmatismus abschaffen, der das Land zu lähmen drohe. Er möchte der Landwirtschaft mehr Geld zur Verfügung zu stellen sowie die Handelssperre mit Rußland aufheben.

Gern nimmt er die Regierung für die steigende Arbeitslosenzahl in die Pflicht, die laut Angaben des französischen Arbeitsministeriums zwischen Mai 2012 und Mai 2015 um mehr als eine Million gestiegen ist. Akribisch rechnet er vor, daß Hollande mit einem Unterschied von 80.000 in seinen drei Jahren Amtszeit fast so viele Arbeitslose geschaffen habe wie er selbst in seiner fünfjährigen Regierungszeit. 

Doch Arbeitslose hin und Einwanderungsprobleme her. Sarkozy hat ein Problem. Nur 29 Prozent der Franzosen wollen ihn und Hollande gegeneinander antreten sehen. Dies ergab eine Umfrage des Französischen Instituts für öffentliche Meinung (Ifop). Demnach wünscht sich die Mehrheit der Franzosen ein neues Gesicht an der Spitze Frankreichs.