© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/15 / 18. September 2015

Die Neider müssen warten
Unternehmen: Obwohl der Börsenkurs eingebrochen ist und Produktinnovationen fehlen, fährt der höchstbewertetste US-Konzern Apple weiter Milliardengewinne ein
Christian Schreiber

Samsung ist der weltweite Marktführer, Sony Xperias und Lumias mit Carl-Zeiss-Objektiv haben die besten Kameras, LG punktet mit Radio, wechselbarem Akku sowie einem bis zu zwei Terabyte erweiterbaren Speicherplatz. Und nach TechniSat bietet nun auch Gigaset vollwertige „Android-Smartphones designed in Germany“ an.Die Siemens-Ausgründung präsentierte sich groß auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin, zu der 245.000 Besucher kamen. Gigaset ist seit Juli bereits „Platinum“-Werbepartner des FC Bayern München – doch was sind Fakten gegen Emotionen? Wer ein iPhone von Apple besitzt, gehört zu einer im doppelten Sinne verschworenen Gemeinschaft, hebt sich ab von den restlichen 85 Prozent, die irgendwas zwischen Asus und Xiaomi haben.Perfekte Inszenierung statt bahnbrechender NeuheitenNur so läßt sich erklären, warum vorige Woche die medialen Augen erneut auf das riesige Bill-Graham-Auditorium-Center in San Francisco gerichtet waren, wo Konzernchef Tim Cook vor 7.000 ausgewählten Gästen die voller Spannung erwarteten neuen Produkte des Elektronikkonzerns Apple präsentierte.

„Keynote“ nennen die Amerikaner solche Präsentationen, bei denen ein hochkarätiger Redner auftritt oder eine wichtige Neuigkeit präsentiert wird.Angesichts der Neuheiten, die der 54jährige Cook schließlich zu präsentieren hatte, fiel die anschließende Resonanz nüchtern betrachtet dürftig aus. Bis 2011, als Apple-Gründer Steve Jobs noch lebte, lebten die Keynotes von dem „One more Thing“-Moment, also jenem Augenblick, in dem eine bahnbrechende Neuerung bekanntgegeben wurde. Aber Apple ist inzwischen ein Opfer seiner eigenen Inszenierung geworden und so sickern viele Details schon vor der offiziellen Bekanntgabe durch. So war bereits klar, daß Apple kein neues iPhone 7 präsentiert, sondern die Fan-Gemeinde muß sich mit einem „Update“ begnügen: Die iPhone 6s und 6s plus erhalten zwar schnellere Prozessoren und stabilere Gehäuse – LG oder Sony bieten jedoch wesentlich mehr fürs Geld.

Die eigentliche Überraschung war daher die Präsentation des neuen Mini-Computers iPad Pro. Das neue, deutlich größere Apple-Tablet mit 12,9-Zoll-Display soll offenkundig gegen herkömmliche Laptops in Position gebracht werden. Kritiker stören sich allerdings an den hohen Kosten. Der für die Bedienung unerläßliche Stift, der auf Druck und Haltewinkel reagiert, soll alleine 99 Dollar kosten, die kleinste Geräteausführung soll es für 799 Dollar geben. Der Apple Pencil ist dennoch eine mittlere Sensation, hatte doch Steve Jobs stets betont, daß Apple-Geräte immer mit der Hand bedienbar sein müßten. Analysten werten dies als Beleg dafür, daß sich Cook von seinem Mentor emanzipieren möchte und ihm bewußt sei, daß Apple auf einem schmalen Grat wandert.

Denn bis heute profitiert das Unternehmen fast ausschließlich von dem Erfolg seiner Mobiltelefone.Apple hat derzeit je nach Berechnung einen Weltmarktanteil von 14 bis 18 Prozent. Doch 92 Prozent aller Branchengewinne entfielen im vergangenen Quartal auf Apple, wie der kanadische Marktforscher Canaccord Genuity vorrechnete. Bei – laut Marktforscher IHS – lediglich 200 Dollar Materialkosten und Verkaufspreisen ab 650 Dollar für ein iPhone 6 kein Wunder, dennoch sind iPhones die begehrtesten Multimedia-Telefone der Welt, auch wenn sie sich viele nicht leisten können. Im dritten Konzern-Quartal wurden 47,5 Millionen iPhones abgesetzt, was ein Plus von 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal darstellt. Doch Börsenanalysten hatten mit 49 bis 50 Millionen Verkäufen gerechnet. Da das Apple-Geschäftsjahr im Oktober beginnt, umfaßt das dritte Apple-Quartal die Monate April, Mai und Juni. Analysten streiten, ob das Apfelglas halbvoll oder halbleer ist. Neben den 47,5 Millionen verkauften Telefonen hat Apple 10,9 Millionen iPads (Tablets)und 4,4 Millionen Macs (Laptops) verkauft. Über die Verkaufszahlen der Uhr iWatch und des einst hochgelobten Musikabspielgeräts iPod schweigt sich Apple aus, was Experten als Zeichen für eine Absatzflaute werten.China ist ApplesWachstumsmarktAuch über die Absatzentwicklung in China gibt es unterschiedliche Ansichten: „Apple wächst im Reich der Mitte rasend schnell. Bald dürfte China größter Markt der Amerikaner sein“, jubelte die FAZ.

Die Online-Redaktion der Tagesschau kam zu einem anderen Schluß: „Der Thron wackelt. In China wurde das iPhone laut dem Marktforschungsunternehmen Canalys im vorigen Quartal auf den dritten Platz verdrängt. Die chinesischen Hersteller Xiaomi und Huawei sind dort top. Und China ist der Wachstumsmarkt.“Nicht nur Neider des gigantischen Apple-Erfolgs haben allerdings schon öfter vergeblich versucht, eine Krise regelrecht herbeizuschreiben. Die Apple-Aktionäre erhalten derzeit zwar nur eine Dividendenrendite von zwei bis drei Prozent, und der Kursabsturz von 130 Dollar im Juli auf 112 Dollar im September kann als Rückkehr zur „Normalität“ oder als „Anzeichen eines Abschwungs“ gewertet werden.Im US-Börsenindex Nasdaq 100 belegt Apple in puncto Kursentwicklung seit Jahresbeginn mit einem Plus von 6,1 Prozent nur Rang 54. Laut Börse-Online raten dennoch von 55 befragten Börsenexperten weiterhin drei Viertel zum Kauf einer Apple-Aktie. Eine Parallele zum einstigen Wettbewerber Nokia zu ziehen, wäre tatsächlich falsch: Obwohl die Finnen seit 1998 Marktführer waren, wurden sie 2012 von Samsung überflügelt. 2014 wurde die Sparte an Microsoft verkauft.Doch mit den Lumias und dem Betriebssystem Windows Phone werden nur Verluste eingefahren. Apple besitzt hingegen laut Quartalsbericht über 200 Milliarden Dollar an Bargeldreserven und einen Börsenwert von weit über einer halben Billion Dollar. Und: Nokia- oder Samsung-Telefonen wurde noch nie so entgegengefiebert wie iPhones.