© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/15 / 18. September 2015

Trolle aus dem Weg räumen
Internet: Unliebsame Kommentatoren sollen nicht mehr zu Wort kommen dürfen
Richard Stoltz

Die armen Trolle kommen in immer größere Bedrängnis. Als „Trolle“ werden bekanntlich die kritischen Leserbriefschreiber im Internet bezeichnet, die in den Online-Ausgaben der großen Zeitungen oder in den sozialen Netzwerken (Facebook, Twitter) zu Wort kommen dürfen. Gegen sie richtet sich zur Zeit die volle Wut der gutmenschlichen Medienaufseher. Ihre Einsendungen werden immer öfter gelöscht, man will sie so bald wie möglich ganz loswerden oder gar bei der Polizei anzeigen.
Nur, wie macht man so was, ohne sich selbst dabei allzu deutlich als primitiver Zensor zu entlarven? Bisher stellte man die Trolle, die gelöscht werden sollten, als „Hetzer“ hin. Was die Trolle schrieben, das sei keine freie Meinungsäußerung, sondern Hetze, wie sie schon bei der Holocaust-Gesetzgebung unter Strafe gestellt sei. Der Paragraph 130 Strafgesetzbuch (Volksverhetzung) müsse entschieden auf andere Felder der öffentlichen Diskussion angewendet werden.
Inzwischen merken die Aufseher freilich, daß die allermeisten Trolle sich in ihren Beiträgen durchaus zivilisiert verhalten und schwerlich als Hetzer zu justifizieren sind. So haben sie sich eine neue Anti-Troll-Masche ausgedacht, das „Derailing“. An sich heißt das Wort nichts weiter als „Entgleisung“ und kommt aus dem Eisenbahnbereich. Es ist aber wunderbar ausdehnbar und für den Zensor geradezu ideal. Denn es ist ein Gummiwort ohnegleichen.
„Ihr kennt das“, liest man in einer Gebrauchsanweisung zur „Bekämpfung von Derailing“, „ihr veröffentlicht einen Artikel über Rechtsextremismus und bekommt vom Troll einen Beitrag, der davon handelt, daß auch Linksextremismus gefährlich ist. Oder ihr bringt einen Artikel über die Ausbeutung von Sexarbeiterinnen, und jemand antwortet darauf, daß viele Studentinnen das doch gerne machen würden, um sich das BaföG zu sparen, löschen, löschen, löschen!“
Man sieht, die Freiheit der Meinungsäußerung wird immer freier. Nur noch einige wilde Trolle stehen ihr im Weg. Aber die werden wir auch noch zähmen, pardon: löschen, auslöschen.