© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/15 / 18. September 2015

Zeitschriftenkritik: Biografie
Von Hannah Arendt zu Iris Berben
Werner Olles

Gespräche oder Interviews mit Prominenten sind für Journalisten nicht immer einfach. Entweder geben sich die Herrschaften zugeknöpft, oder sie sind maßlos selbstverliebt. In beiden Fällen ist der Ertrag gering. Legendär das „Interview“, das der Moderator des ZDF-Sportstudios Rainer Günzler 1969 mit dem Boxer Norbert Grupe alias „Prinz Wilhelm von Homburg“ führte. Grupe schwieg zu den Fragen des Interviewers eisern, schenkteaihm stattdessen nur ein Lächeln und verabschiedete sich mit den Worten: „Es war ganz reizend bei Ihnen.“

Auskunftsfreudiger ist die Schauspielerin Iris Berben, die das Titelbild der aktuellen Ausgabe der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift Biografie (3/2015) ziert. So erfahren wir, daß sie in den späten sechziger Jahren Ulrike Meinhof und Andreas Baader kennenlernte und eine Zeitlang ihr Seelenheil „in der Herstellung von Molotowcocktails“ suchte. Politisch motiviert sei das nicht gewesen, sie fand halt „Widerstand, aktives Fragen Klasse“. Heute engagiert sie sich gegen „Rassismus, Antisemitismus und das Vergessen“. Iris Berben ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes, zahlloser Filmpreise und bekam 2002 als erste Schauspielerin den Leo-Baeck-Preis, die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden in Deutschland. Damit steht sie in einer Reihe mit Richard von Weizsäcker, Angela Merkel und dem grünen Politik-Darsteller und Homo-Lobbyisten Volker Beck. Wirklich interessant und weltbewegend ist das alles nicht, zudem recht gefällig im Stil einer Hofberichterstattung geschrieben.
Im Gegensatz dazu ist der Beitrag über die Philosophin, Historikerin und politische Denkerin Hannah Ahrendt durchaus lesenswert. Im Februar 1963 erschien im New Yorker der erste ihrer fünf Artikel über den Prozeß gegen den SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann. Seitdem stand ihr Telefon nicht mehr still. Manche aufgebrachte Anrufer wünschten ihr sogar den Tod. Die jüdische Gemeinde war außer sich. Der Vorwurf: Sie habe die Juden verraten und zuviel Verständnis für die Täter gezeigt. Dabei hatte sie mit ihrem „Bericht von der Banalität des Bösen“ nur die Frage aufgeworfen, wie es sein konnte, daß gewöhnliche Menschen wie Eichmann ein totalitäres System wie den Nationalsozialismus am Leben gehalten hatten. Wie konnte Eichmann so monströse Verbrechen begehen, ohne ein Monster zu sein? Für viele Überlebende war eine solche Frage nur schwer zu ertragen. Man warf ihr vor, antiisraelisch, antizionistisch zu sein, dabei war sie selbst Zionistin. Als „Analytikerin des Bösen“ ging die ehemalige Schülerin und zeitweilige Geliebte Martin Heideggers in die Geschichte ein. Ihr Versuch, die Eigenart totaler Herrschaft am Beispiel des Nationalsozialismus und Kommunismus zu beschreiben, gehört zu den wichtigsten Auseinandersetzungen mit diktatorischen Systemen.

Weitere Beiträge neben anderen befassen sich mit dem US-Schaupieler Sean Penn, dem französischen „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. und dem Architekten Le Corbusier.

Kontakt: Gruner + Jahr Verlag, Am Baumwall 11, 20459 Hamburg. Das Einzelheft kostet 5 Euro, ein Jahresabo 20 Euro.
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