© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/15 / 18. September 2015

PR-Agenten kapern Wikipedia
Ein Netzwerk namens „Orangemoody“ manipuliert Artikel und verwandelt die Online-Enzyklopädie zu einer Werbeseite
Katharina Puhst

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der das gesamte Wissen der Menschheit jedem frei zugänglich ist. Das ist unser Ziel!“ So spricht Wikipedia-Gründer Jimmy Wales über seine Internet-Enzyklopädie. Oft allerdings bleibt das nur graue Theorie.

Ein anonymes Netzwerk von PR-Agenten, das unter dem Namen Orange­moody bekannt wurde, hat nun dem Ruf der Enzyklopädie einen weiteren Kratzer verpaßt: Für Geld verfaßten Wikipedia-Autoren wohlmeinende Beiträge für Unternehmen, Firmen und Künstler. Damit verstießen sie gegen die Geschäftsbedingungen von Wikipedia, die Neutralität und Korrektheit einfordern. Nun hat die englischsprachige Wikipedia 381 Nutzerkonten gesperrt.

Jeder kann auf Wikipedia Artikel publizieren, sofern eventuelle Auftraggeber angegeben werden und die Relevanz des Eintrags ersichtlich ist.

Immer wieder werden Nutzer gesperrt

Das Netzwerk soll sich vornehmlich an Personen und Firmen gewendet haben, deren Artikel aufgrund ihres werbenden Charakters bereits einmal von Wikipedia abgelehnt worden waren. Die PR-Schreiber gaben sich als seriöse Wikipedia-Autoren aus und veröffentlichten für mehrere hundert Dollar den gewünschten Artikel. Im Anschluß forderten sie die Unternehmen und Personen dazu auf, auch weiterhin zu zahlen, damit die Einträge aktualisiert und nicht gelöscht würden.
Tiffany Wright, Journalistin der Zeitschrift Grazia und Cosmo, und Paul Manners, ehemaliger Kandidat der britischen Version von „Das Supertalent“ gehörten zu den Kunden des Netzwerks. Sie gingen auf das Angebot „Ich mache Ihren Artikel Wikipedia-tauglich“ ein. Nachdem sich die Kunden von Orangemoody über das Verschwinden oder die Veränderung ihrer bezahlten Artikel beklagten, flog das schwarze Geschäft auf. Darum löschte Wikipedia insgesamt 210 Artikel, die mit Links gespickt waren. Sie leiteten auf andere Seiten um, damit die Ziel-Seite für Suchmaschinen attraktiver wurde.

Bereits im Oktober 2013 hatte Wikipedia 250 Nutzer gesperrt. Da die Vorgehensweise der aktuellen Nutzer der von vor zwei Jahren ähnelt, geht das Nachschlagewerk von ein und derselben Organisation aus. Die Wikipedia-Mitarbeiter müssen nun fünf Millionen englische Artikel durchforsten, um die Zahl der manipulierten Einträge ermitteln zu können.