© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/15 / 18. September 2015

Zwischen Hölle und Himmel
Die Ehe von Emmy Hennings und Hugo Ball
Werner Olles

Sie waren ein sehr ungleiches Paar: die erlebnishungrige, kontaktfreudige, religiöse und dennoch oft auf der Suche nach Männerbekanntschaften befindliche Emmy Hennings und der ernste, unbeholfene, einsame, ungläubige und asketisch-intellektuelle Hugo Ball. Trotz dieser Widersprüche fand dieses „wunderliche Paar“ (Herrmann Hesse) zusammen und trat 1916 mit einem Paukenschlag ins Rampenlicht der modernen Kunst. In Zürich gründet Ball das „Cabaret Voltaire“, das zum Geburtsort des „Dadaismus“ wird. Emmy Hennings ist von Anfang an als Star der Bohème-Szene dabei.Alfred Sobel nähert sich dem „wilden Leben des Künstlerpaares Emmy Hennings und Hugo Ball zwischen Dadaismus und Glauben“ behutsam, läßt beide ausführlich zu Wort kommen und ermöglicht dem Leser dadurch einen direkten Zugang zur Gedanken- und Gefühlswelt zweier Menschen, die zumeist außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft leben, oft am Rande des Existenzminimums. Sie schreiben Bücher, ohne einen Verlag zu haben, wagen immer wieder Neues und begehren gegen den Zeitgeist auf. Ständig auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, finden sie diesen schließlich im Katholizismus, den sie, zum Unverständnis ihrer Künstlerkollegen, konsequent leben.
Dreizehn Jahre leben sie zusammen, davon sieben verheiratet. Während dieser Zeit schreibt Emmy mehrere autobiographische Romane, in die sie jedoch auch Fiktives mischt. Nach der Episode im „Cabaret Voltaire“ folgt ein Nomadenleben mit bitterer Not, Hunger, Bettelei. Emmy verfällt einer langjährigen Drogensucht, verkauft ihren Körper als Gelegenheitsprostituierte, woran sie fast zerbricht. Während Hugo ihr hilft, ihre Sucht zu überwinden, führt Emmy ihn aus seiner „geistigen Obdachlosigkeit“ zum katholischen Glauben.
Ihre Werke sind heute fast vergessen, dabei sind vor allem Emmy Hennings Gedichte es wert, wiederentdeckt zu werden. Vergessen ist auch Hugo Balls Entdeckung der asketisch-mythischen Tradition des Katholizismus. Geblieben ist allein die Erinnerung an eine große Liebe, die Emmy mit den Worten beschrieb: „Wir sind der Ansicht, daß gute, haltbare Ehen in der Hölle geschlossen werden und allmählich in den Himmel dringen.“