© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/15 / 18. September 2015

Frisch gepresst

Oberschlesien. Wer heute durch das westliche Oberschlesien (Woiwodschaft Oppeln) reist, passiert nicht weniger als 340 zweisprachige Ortsschilder, die die Namen der Dörfer und Gemeinden deutsch und polnisch bezeichnen. Das sind unübersehbare Hinweise auf die Lebendigkeit des kulturellen und sozialen Lebens der etwa 150.000 Einwohner starken, zum großen Teil rund um Oppeln konzentrierten deutschen Minderheit Schlesiens. Dem „Kanzler der Einheit“ hatten deren Abgeordnete bei seinem Besuch in Kreisau, kurz nach dem Mauerfall am 12. November 1989, das Transparent mit der völkerrechtlich korrekten Losung entgegengehalten: „Helmut, Du bist auch unser Kanzler“. Über solche hochgespannten Erwartungen ist das Bonner Management 1990 zwar hinweggegangen, aber die Oberschlesier, die einzigen Ostdeutschen, die sich nach 1945 in nennenswerter Zahl in ihrer angestammten Heimat halten konnten, haben sich zur selbstbewußten, seit 1991 anerkannten Minderheit entwickelt, die der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen angehört. Diesen dornenreichen Weg der „Schlesischen Autonomiebewegung“ zeichnen Robert Starosta und Lukas Moj in einer informativen Broschüre nach, die auch kompaktes Wissen über Geschichte und Kultur der früheren preußischen Provinz vermittelt. (ob)
Initiative der kulturellen Autonomie Schlesiens e. V. (Hrsg.): Oberschlesien emanzipiert sich – mit oder ohne die Deutschen. Verlag Inspiration Un Limited, London 2015, 129 Seiten, Abbildungen, 9,80 Euro



Streifenbilder. „Schulle, halt mal an. Ich hab’ da so’n Gefühl.“ Das Buch des langgedienten Streifenpolizisten Karlheinz Gaertner umgeht die Schwächen einer „Tatort“-Sendung. Typische Eskapaden des Schwachsinns kommen ebensowenig vor wie zurechtgefeilte Lehrstücke politischer Korrektheit. Keine Kommissare, die sich um ein Tamagotchi streiten, keine Ausflüge in Travestie-Diskos und kein ewiges Leitmotiv Neonazis. Stattdessen Geschichten aus dem Alltag eines normalen Polizisten, garniert mit kollegialer Gemütlichkeit. Menschenschlepper und Zuhälter sind in „Kalles“ Erlebnissen häufig Araber, das wird auch klar benannt. Und es muß nicht immer Mord sein: Auch Trickbetrug und Diebstahl von Buntmetall als Facetten von Kriminalität bereitet Gaertner für den Leser erlebnisorientiert auf. (cop)
Karlheinz Gaertner: Nachtstreife. Aus dem Leben eines Großstadt-Polizisten. Orell Füssli, Zürich 2015, broschiert, 256 Seiten, 14,95 Euro