© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/15 / 25. September 2015

Innerparteilicher Streit um Asylpolitik
Grüne Schizophrenie
Michael Paulwitz

Der grüne „Fundi-Realo“-Zirkus ist wieder da. Die neueste Vorstellung wird zwischen grünen Amtsträgern wie dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer in der „Realo“-Ecke und den Multikulti-Fundamentalisten auf den Berliner Oppositionsbänken und in Parteibasis, Funktionärskader und Sympathisanten-Biotopen gegeben. 

Die einen sind zu pragmatischen Korrekturen am aus dem Ruder gelaufenen Asylrecht bereit, um die Bürger zu beschwichtigen, ihre Wiederwahlchancen zu erhöhen und die schwarz-grüne Machtoption voranzutreiben. Für die anderen ist selbst der zaghafteste Versuch, die Schleusen der schrankenlosen Masseneinwanderung ein Stückchen wieder zuzudrehen, Sakrileg und Verrat an der reinen linken Lehre.

Die Schizophrenie gehört zur politischen DNS der Grünen. Sie folgt zwangsläufig aus dem unvermeidlichen Zusammenprall linker Utopien mit der Wirklichkeit. Statt in der Wagenburg den Mond anzuheulen, ziehen „Realos“ es vor, ihre ideologische Agenda bis zur nächsten Gelegenheit zu tarnen. Das paßt beunruhigend gut zur Merkel-CDU – mit dem Unterschied, daß letztere etwa noch vorhandene Überzeugungen im Zweifelsfall der Macht zuliebe gleich ganz über Bord wirft. Heuchler sind sie alle zusammen.