© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/15 / 25. September 2015

Luckes zweiter Versuch
AfD-Abspaltung: Zwei Monate nach der Gründung kämpft die „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ um ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit
Marcus Schmidt

Bernd Lucke und seine Mitstreiter ahnen wohl, daß es für ihre neue Partei „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (Alfa) schwer wird. Während sich die AfD, von der sich Alfa im Juli abgespalten hatte, nach ihrer Gründung Anfang 2013 schnell als feste Größe in den Meinungsumfragen etablierte, firmiert die neue Lucke-Partei bei den Demoskopen immer noch unter „Sonstige“.

Dennoch könnten bereits 50 Prozent der Wähler mit dem Namen Alfa etwas anfangen, berichtet Parteichef Lucke unter Berufung auf Umfragen. „In Verbindung mit meinem Namen sind es sogar 60 Prozent.“ Und noch etwas stimme ihn zuversichtlich: „Wir sind einigermaßen erfolgreich im Einsammeln finanzieller Mittel“, sagte Lucke am Montag auf der ersten Pressekonferenz der Partei in Berlin. Dabei ging es vor allem um die Positionen der AfD-Abspaltung in der Asylkrise – auch wenn das für die Partei nur ein Thema neben anderen sei, wie Lucke versicherte. 

In der Flüchtlingspolitik mahnt Alfa jedenfalls mehr Realismus an. „Wir brauchen eine Politik auf Basis von Fakten, die für eine Balance zwischen Herz und Verstand sorgt und die Handlungsfähigkeit Deutschlands wiederherstellt“, sagte der stellvertretende Alfa-Vorsitzende Bernd Kölmel. Ansonsten sei weder den Flüchtlingen noch den Bürgern geholfen. Statt einer unreflektierten pauschalen Willkommenskultur benötige Deutschland eine Hilfskultur.

Populismus helfe dabei aber nicht weiter. „Sprüche wie ‘Das Boot ist voll’, die mittlerweile sogar schon in der CDU üblich sind, werden sie von uns nicht hören“, sagte der Europaabgeordnete. Genauso falsch sei es jedoch, „monstranzenhaft“ die Behauptung vor sich herzutragen, bei den Asylbewerbern handele es sich vor allem um syrische Ärzte und Ingenieure. „Daß der Fachkräftemangel durch die Flüchtlinge beseitigt werden kann, ist eine Mär. Nach allen vorliegenden Zahlen ist die Hälfte der Asylbewerber gering oder gar nicht qualifiziert“, verdeutlichte Kölmel.

Scharf verurteilte er die Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Aufnahme Zehntausender Asylbewerber aus Ungarn. Das sei nicht nur ein falsches Signal gewesen. Merkel habe für die Kosten, die aus dieser Entscheidung entstünden, zudem keine Haushaltsermächtigung gehabt. „Selbst für eine Pastorentochter war das ein großzügiger Einwurf in den Klingelbeutel“, kritisierte Kölmel, der die aus der Entscheidung entstandenen Kosten allein für das erste Jahr auf 100 Millionen Euro schätzt.

Lucke forderte die Bundesregierung auf, in der gegenwärtigen Asylkrise die Hilfe auf Familien, Frauen und Kinder zu konzentrieren, da diese am verletzlichsten seien. „Derzeit kommen aber vor allem kräftige junge Männer zu uns“, kritisierte der frühere AfD-Vorsitzende, der sich den einen oder anderen Seitenhieb auf seine alte Partei , die er als „Schmutzfänger“ für den rechten Rand bezeichnete, nicht verkneifen konnte. Auf der Straße werde er häufig angesprochen und für seinen Austritt aus der AfD gelobt, berichtete Lucke.

Nach Angaben von Generalsekretärin Ulrike Trebesius hat Alfa mittlerweile 1.000 Mitglieder. Zudem lägen 2.500 weitere Aufnahmeanträge vor. Jeden Tag kämen 20 hinzu, berichtete die Europaabgeordnete. Im Frühjahr 2016 will die Partei bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz antreten. Dort sowie in Mecklenburg-Vorpommern und Bremen wurden bereits Landesverbände gegründet. Am Wochenende folgen Niedersachsen, danach Berlin und Nordrhein-Westfalen.