© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/15 / 25. September 2015

Die ausgebliebene Fed-Zinswende und die Enteignung der Sparer
Sucht nach Billiggeld
Thorsten Polleit

Seit dem Frühjahr 2013 spricht die US-Zentralbank davon, den Leitzins anzuheben. Geschehen ist bislang nichts. Auch auf der Fed-Sitzung am 17. September wurde der Leitzins unverändert gelassen; er verbleibt in einer Bandbreite von 0 bis 0,25 Prozentpunkten. Warum zögert die Fed, die Zinsen anzuheben? Der Grund ist im Schuldgeldsystem zu finden. Sein „Funktionieren“ hängt davon ab, daß die Zinsen extrem niedrig bleiben.

Warum wurden dann überhaupt Zinssteigerungen in Aussicht gestellt? Würde sich bei den Anlegern die Erwartung durchsetzen, daß die Zinsen ewig auf der Nullinie bleiben, geriete das Geldsystem in schweres Fahrwasser. Wenn die Zinsen nur ,,vorübergehend“ sehr niedrig sind (und „bald“ wieder „normalisiert“ werden), fliehen die meisten Anleger nicht aus ihren Termin- und Spareinlagen, Staats- und Bankschuldpapieren, Lebensversicherungen und Rentenfondsanteilen, sondern harren aus. 

Deshalb wird die Erwartung künftig steigender Zinsen wachgehalten und gleichzeitig der Zeitpunkt für die in Aussicht gestellte Zinssteigerung immer weiter in die Zukunft verschoben – ohne daß dabei der Zins tatsächlich angehoben wird. Die Fed praktiziert dieses Spiel mittlerweile meisterhaft; die Fed-Entscheider scheinen das Drehbuch von „Warten auf Godot“ genau studiert zu haben. 

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) setzt alles daran, die Zinsen so niedrig wie möglich zu halten, damit die Euro-Schuldenpyramide nicht einstürzt. Zwar liegt der EZB-Leitzins bei nur noch 0,05 Prozent. Wer jedoch meint, Mario Draghi hätte seine Munition verschossen, liegt falsch. Die EZB kann den Leitzins noch in den Negativbereich drücken – wie es etwa Schweden und die Schweiz praktizieren. Oder sie stockt ihre Schuldpapierkäufe auf und bezahlt mit neu geschaffenen Euros. Worauf das hinausläuft, liegt auf der Hand. Der Euro-Außenwert fiel um ein Viertel, auch die Teuerungsrate steigt früher oder später an.

Die künstlichen Niedrigzinsen und die Vermehrung der Geldmenge „heilen“ die Volkswirtschaften natürlich nicht. Sie sorgen vielmehr für weitreichende Fehlentwicklungen: Kapitalfehllenkung, Spekulationsblasen, Boom-und-Bust und Überschuldung. Die Zentralbankpolitik entwertet traditionelle Sparformen sowie Rentenfonds und Lebensversicherungen. Sparer sollten die Flucht ergreifen. Doch wohin?

Renditen, die nach Abzug der Inflation positiv sind, können grundsätzlich im Aktienmarkt erzielt werden. Und zwar indem man in Unternehmen investiert, die inflationsresistente Geschäftsmodelle haben – die also auch bei Inflation noch Gewinne erzielen. Wenn man diese „guten“ Unternehmen zu einem günstigen Preis kaufen kann, wird man sein Kapital nicht nur erhalten, sondern auch mehren. Auch die Geschichte lehrt: Bei einem guten Unternehmen ist das Kapital besser aufgehoben als beim Staat oder den Banken.