© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/15 / 25. September 2015

Umwelt
EU-bio ist nicht bio
Bernd Rademacher

Käufer von Öko-Produkten sind bereit, mehr Geld auszugeben, weil sie sich vorstellen, daß Milch- und Fleischwaren von „glücklichen“ Tieren stammen. Ein Bio-Schnitzel kostet immerhin das bis zu Vierfache eines konventionell erzeugten Schnitzels. Damit die tierlieben Verbraucher wissen, zu welchen Lebensmitteln sie bedenkenlos greifen können, gibt es entsprechende Gütesiegel. Doch garantieren diese wirklich eine artgerechte Idylle? Das grüne EU-Biosiegel verspricht die Einhaltung von „Mindeststandards“ der biologischen Erzeugung. Aber wie sehen diese aus?

Die Fütterung mit gentechnisch verändertem Futter ist nach den EU-Standards erlaubt.

In der konventionellen Landwirtschaft werden Kälbern in den ersten sechs Wochen die Hörner abgesägt, damit sie enger gehalten werden können. In manchen EU-Nachbarländern Deutschlands dürfen die Hornknospen sogar verätzt werden. Das EU-Biosiegel regelt die Hornfrage nicht. Auch die Fütterung mit gentechnisch verändertem Futter ist nach den EU-Mindeststandards erlaubt, ebenso die Beimischung von Nitritpökelsalz in EU-Biowurst. Auch das Kupieren von Ferkelschwänzen und Entenschnäbeln ist nach den EU-Richtlinien für Bio-Qualität nicht verboten. Schweinen dürfen in Nachbarländern die Zähne beschliffen und Zungen gekürzt werden, um die Muttersäue vor Bissen zu schützen. Diese Praxis kann jedoch zu Verletzungen und Entzündungen führen. Auch beim Anbau sind die EU-Standards fragwürdig. So ist die Düngung mit Fleisch-, Blut- und Knochenmehl durchaus gestattet. Außerdem dürfen Aromen in Bio-Joghurts statt vom entsprechenden Obst auch von mikrobiellem Lab stammen, das aus Schimmelpilzen hergestellt wird.  All dies sind Praktiken, die von den deutschen Bio-Verbänden wie Demeter oder Naturland strengstens abgelehnt werden. Bleibt die Frage: Was ist am EU-Biosiegel eigentlich bio?