© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/15 / 02. Oktober 2015

Grüße aus Rom
Öffnet die Tore
Von Paola Bernardi

Daß Papst Franziskus im Frühjahr ein außerordentliches Heiliges Jahr im Zeichen der Barmherzigkeit ausrief, scheint  im nachhinein prophetisch. Niemand konnte damals ahnen, welche gewaltigen Flüchtlingsströme nur Monate später Europa überfluten würden. Seitdem ruft er Sonntag für Sonntag zum Angelus den Gläubigen zu: Öffnet die Tore und die Herzen! 

Es scheint, als wenn Kanzlerin Angela Merkel dem Papst nachgeeifert hätte. Der Pontifex mahnt, daß jede Gemeinde, jedes Kloster, jede heilige Stätte in Europa eine Familie aufnehmen solle. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, nahm der Papst zwei Flüchtlingsfamilien im Vatikan auf. Konkret dachte der Pontifex dabei an seine Unterkunft, an das Gästehaus Santa Marta. Doch dies ging der Kurie zu weit, schon aus Sicherheitsgründen. Man einigte sich darauf, daß die Pfarrei Sant‘Anna im Vatikan  eine syrische Flüchtlingsfamilie aus Damaskus aufnimmt.

Sicherheitskräfte und Schweizer Garde sind ständig in Alarmbereitschaft.

Sie sind in einer vatikanischen Wohnung nahe dem Petersdom untergebracht. Es handelt sich um katholische Christen, die dem griechisch-melkitischen Ritus angehören. Auch Sankt Peter, die andere Gemeinde im Vatikan, folgte dem Aufruf und beherbergt nun eine weitere Flüchtlingsfamilie.

 Nach seinem Treffen mit diesen Zuwanderern zeigte sich der Papst sichtlich „bewegt“ und „schockiert“. „Man habe den Schmerz in den Gesichtern gesehen“, so der Pontifex. Bis Italien ihren Status als Flüchtlinge anerkennen werde, solange werde man keine weiteren Informationen über sie geben, so das päpstliche Almosenamt.

Doch Franziskus, dieser populistische Anwalt der Armen, macht nicht nur Seelen-Hygiene, sondern sorgt sich auch um die körperliche Hygiene. Nachdem er im Vatikan Duschen und sogar einen Haar- und Bartschneide-Service eingerichtet hat, wächst die Zahl der Wartenden am Petersplatz stetig. 

Sicherheitskräfte und Schweizer Garde sind ständig in Alarmbereitschaft. Seitdem der Papst seine Arme ausbreitet, wird Rom generell immer stärker zum Anlaufziel der Flüchtlinge. Sie liegen vor den Bahnhöfen, kampieren am Tiber-ufer, nächtigen in Parks und auf  den Straßen. Die Sicherheitskräfte wurden aufgestockt. Nicht nur am Flughafen Fiumicino wurden die Kontrollen verstärkt, auch auf dem römischen Hauptbahnhof Termini installierte man neue Barrieren vor den Gleisen. Nur mit gültiger Bahnkarte werden Reisende auf die Gleise gelassen.