© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/15 / 02. Oktober 2015

Dann doch lieber Portwein
Portugal: Die konservativ-liberale Regierung ist stolz auf ihren Reform- und Sparkurs / Sozialisten wittern dennoch Morgenluft
Lukas Noll

Portugal wählt am Sonntag ein neues Parlament – und tritt damit erstmals an die Wahlurnen, seit sich das Land 2011 auf dem Höhepunkt der Eurokrise unter den Schirm des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) rettete. Die Wahl um die 230 Mandate der portugiesischen Assembleia da República ist damit auch eine Abstimmung über die Austeritätspolitik der konservativ-liberalen Regierung unter Pedro Passos Coelho. Vor einer portugiesischen Syriza muß sich Portugals Ministerpräsident aber wohl kaum fürchten.

Um Portugal war es zuletzt vor lauter Aufregung um Griechenland still geworden: Kehrten die größeren Volkswirtschaften Italien und Spanien rund um die Grexit-Frage gelegentlich wieder in der internationalen Berichterstattung auf, wirkte das kleine Land im Südwesten Europas wie vergessen.

Regierung sparte mehr als Brüssel forderte

Dabei scheint sich Portugal still und heimlich bemerkenswert zu konsilidieren. Nach drei Jahren wirtschaftlicher Schrumpfung konnte 2014 mit 0,9 Prozent Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt erstmals wieder ein positives Wirtschaftswachstum erreicht werden, und für dieses Jahr prognostizieren Ökonomen sogar 1,5 Prozent. 

Auch die hohe Arbeitslosigkeit sinkt seit zwei Jahren geringfügig: Waren 2013 noch über sechzehn Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung als arbeitslos gemeldet, sind es in diesem Jahr nur noch dreizehn. Eine gleiche Tendenz, wenn auch noch immer bedrohlich hoch, weist die Jugendarbeitslosigkeit auf. In diesem Jahr sank sie von 36 auf 33 Prozent – zum Vergleich: Spanien und Griechenland vereinen Jugendarbeitslosigkeitsraten von über 50 Prozent auf sich.

Geht es nach der Regierung Passos, sind diese ökonomischen Lichtblicke Resultat eines spürbar enger geschnallten Gürtels: So müssen die Portugiesen seit 2011 zusätzlich zu anderen Steuererhöhungen einen krisenbedingten Aufschlag auf die Einkommensteuer abtreten, im öffentlichen Dienst wurden umfangreiche Lohnkürzungen vorgenommen. Auch der in Portugal noch aus Salazar-Zeiten verhältnismäßig starre Arbeitsmarkt wurde liberalisiert. 

Die Koalition aus dem liberalkonservativen Partido Social Democrata (PSD) und dem rechtskonservativen Centro Democrático e Social – Partido Popular (CDS-PP) war bei ihrer Sparpolitik teilweise sogar weiter gegangen, als von den Geldgebern überhaupt erwartet worden war. Trotzdem dürfte das von der EU ausgegebene Ziel eines Haushaltsdefizits unter drei Prozent des BIPs erst dieses Jahr und damit zwei Jahre verspätet erreicht werden.

Daß die sonst so gelassenen Portugiesen noch vor zwei Jahren zu Zehntausenden auf den Straßen des Landes „Troika und Regierung raus“ skandierten und ein sofortiges Ende der Sparmaßnahmen forderten, hatte manch internationalen Beobachter die Herausbildung einer portugiesischen Podemos-Bewegung nach spanischem Vorbild befürchten lassen. Damit ist am Sonntag aber nicht zu rechnen: Während das spanische Zweiparteiensystem im Zuge der wirtschaftlich-sozialen Krise zu erodieren beginnt, sagen Prognosen Portugals beiden größten Parteien trotz Mehrparteiensystem zusammen rund 70 Prozent voraus. Dabei liegt die gemeinsam antretende, konservative Regierungskoalition laut Umfragen vom 23. September mit 38 bis 40 Prozent vorne, während der Sozialistischen Partei 34 bis 35 Prozent vorausgesagt werden.

Die größte Oppositionspartei fordert zwar eine schnellere Aussetzung der Austeritätsmaßnahmen, stimmt diesen aber grundsätzlich zu. Das Zünglein an der Waage zu sein schlossen die beiden linksextremen Parteien Bloco de Esquerda (Linksblock) und die grün-kommunistische Partei coligação  Democrática Unitária (CDU) bereits vor der Wahl aus: Sie lehnen die von der EU verordnete Austeritätspolitik ebenso ab wie eine Koalition mit einer der Großparteien. Untereinander unterscheidet sie vor allem die Radikalität ihrer Forderungen: Während der Linksblock einen „Pexit“ als Plan B in Erwägung zieht, fordert die ideologisch schärfere CDU offen eine Rückkehr zum Escudo. 

Beide Parteien dürfen am Wahlsonntag auf jeweils acht bis neun Prozent hoffen – eine Erdrutschbewegung à la Syriza ist daher nicht zu befürchten. Statt griechischen Wein trinkt man in Portugal dann doch lieber den hauseigenen Portwein.

Daß die Kritiker der Austerität allerdings mit ähnlichen antideutschen Akzenten beim Wähler zu punkten suchen, wie ihre griechischen Gesinnungsgenossen, zeigt ein Wahlplakat des Linksblocks. „Eine Regierung die Deutscher als die Deutsche ist“, heißt es wortwörtlich in deutscher Sprache auf einem Plakat der Partei. Darunter ist zu sehen, wie die deutsche Regierungschefin ihrem portugiesischen Amtskollegen Passos den Daumen nach oben zeigt. 

Wie eine unfreiwillige Ironie erscheint dagegen, daß Passos’ PSD einen schwarz-rot-goldenen Pfeil nach oben als Parteilogo führt.

Foto: Die Koalitionäre Paulo Portas und Pedro Passos Coelho (r.) zeigen Optimismus / Wahlwerbung des „Linksblocks“ mit Angela Merkel (l.): Linksextreme Parteien spielen in Portugal bei der kommenden Parlamentswahl keine Rolle