© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/15 / 02. Oktober 2015

Dax-Unternehmen mehrheitlich in ausländischer Hand
Eigenkapital wird bestraft
Thomas Kirchner

Daß über die Hälfte der Dax-Aktien in Auslandsbesitz ist, stimmt nachdenklich“, klagte kürzlich Michael Völter, Chef der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse. Zwei Ursachen sind dafür hauptverantwortlich. Zum einen ist Deutschland ein attraktives Investitionsziel. Die Exportüberschüsse zeigen die Stärke der Unternehmen – von denen viele zwar in Deutschland beheimatet sind, aber inzwischen zu Weltkonzernen mutiert sind.

Dazu kommt, daß Sparquoten in vielen Ländern hoch sind. Nicht unbedingt durch Privatinvestoren, aber dafür durch Kapitalrücklagen von Renten- und Staatsfonds. Diese Investoren planen langfristig. Die Vermögen sollen die weltweite Wirtschaftsleistung abbilden und somit unabhängig vom Auf und Ab des Heimatlandes sein. Die beiden größten Fonds sind ausgerechnet die Rentenkassen der japanischen und norwegischen Staatsdiener mit Anlagevolumen von 1,3 Billionen bzw. 600 Milliarden Dollar. In Deutschland als viertgrößte Volkswirtschaft wird dementsprechend viel investiert.

Die zweite Ursache sind hausgemachte Probleme, die deutsche Anleger von Aktien fernhalten. 40 Prozent der Vermögen liegen auf Sparkonten oder in ähnlichem, was nominale Stabilität verspricht. Dazu kommen Renten- und Lebensversicherungen, die noch einmal knapp genausoviel ausmachen. Aktien repräsentieren nur sechs Prozent, halb soviel wie im europäischen Durchschnitt.

Die Risikoscheu der Deutschen hat nicht nur kulturelle Ursachen. Der Staat setzt noch eins drauf. Die Doppelbesteuerung von Dividenden nach der Abschaffung der Ertragssteuergutschrift ab 2002 war nur der Anfang der Unterminierung von Aktien. Der Sparerfreibetrag liegt bei 801 Euro – zu Helmut Kohls Zeiten waren es noch 6.100 D-Mark. Gefördert werden Riester & Co. Die Anbieter werden dabei vom Staat gezwungen, vorrangig auf Staatsanleihen zu setzen – unter der dubiosen Theorie, daß Staatsschulden sicherer sind als Aktien.

Banken und Versicherungen spenden an die Parteien, der Staat revanchiert sich mit Förderung. Einst sollte die Telekom-Privatisierung die private Vorsorge fördern – doch der Staat zockte die Anleger mit überhöhten Immobilienbewertungen ab.

Der hohe Dax-Auslandsanteil ist an sich kein Problem, wäre er nur eine Folge der hohen Attraktivität des deutschen Markts. Doch die Manipulationen, die Aktien unattraktiv machen, sind langfristig ein Problem. Nicht nur für die Sparer, die der EZB-Gelddruckmaschine ausgeliefert sind. Sondern auch für die Wirtschaft, die zur Kapitalbeschaffung statt auf echte Anleger zu sehr auf Banken angewiesen ist. Fremdkapital wird gefördert, Eigenkapital bestraft. Es wir höchste Zeit, daß sich der Staat aus dem Finanzmarkt zurückzieht und Anleger ihr Vermögen nach Vernunft investieren läßt. Sprich: Wir brauchen wieder ungezügelte Finanzmärkte.