© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/15 / 02. Oktober 2015

Normative Idealisierung des Westens
Und ewig grüßt der Sonderweg
(sk)

Mit einem Hymnus auf den bundesdeutschen Kurs der „Amerikanisierung und Westernisierung“ hat sich der Tübinger Historiker Anselm Doering-Manteuffel 2014 in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte (VjZ) in den Ruhestand verabschiedet. Verpackt ist diese triviale Geschichtslektion jedoch in ein Angebot, das 20. Jahrhundert nicht länger anhand der eingeschliffenen Zäsuren von 1914, 1945 und 1989, sondern mittels dreier „Zeitbögen“ zu periodisieren: 1890 bis 1930, 1930 bis 1973/75 und 1975 bis heute. Man könne so längerfristige Entwicklungen besser erfassen als anhand des simplen politischen Kalenders. Ein Neuansatz, dessen Erkenntnispotential Doering-Manteuffels Würzburger Kollege Peter Hoeres hoch einschätzt, dessen Explikation er aber für verfehlt hält (VjZ, 3/2105). Denn was zunächst innovativ wirke, verberge tatsächlich nur Heinrich August Winklers und Ulrich Herberts sattsam bekannte „normative Idealisierung des ‘Westens’“. Dafür habe Doering-Manteuffel weder auf „apodiktisch vorgetragene Fehlurteile“, die kritiklos an die Reeducation-Ideologie vom „deutschen Sonderweg“ andocken, noch auf begründungsfreie geschichtspolitische Legitimationsbeschaffung für das Mantra vom „Ende des Nationalstaates“ verzichtet. Zudem erweise sich der Autor als blind für die „Schadensbilanz der westlichen Modernisierung“. 


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