© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/15 / 02. Oktober 2015

Tricksen zu Lasten der Greifvögel
Tödliche Windräder: Das Kollisionsrisiko für Uhus und Rotmilane wird fahrlässig unterschätzt
Dieter Menke

Dank der vor vierzig Jahren eingeleiteten Schutzmaßnahmen hat sich der Bestand der größten deutsche Eulenart, des Uhus (Bubo bubo), erholen können. Einst kurz vor dem Aussterben stehend, geht man heute wieder von mindestens 1.500 Brutpaaren aus, so daß der „König der Nacht“ von der Roten Liste verschwunden ist. Der vor allem in den Mittelgebirgen anzutreffende Raubvogel zählt allerdings weiterhin zu den vom Bundesnaturschutzgesetz BNatSchG) „streng geschützten Arten“.

Mit gutem Grund. Denn neben den wenigen natürlichen, die Population nie gefährdenden Feinden wie Steinadler oder Marder ist es nach wie vor der Mensch, der dem Uhu am meisten zusetzt: zwar nicht mehr wie früher durch aktive Bejagung des vermeintlichen, weil Hasen, Fasanen und Rebhühner nicht verachtenden Nahrungskonkurrenten; jedoch durch seinen nur schwach abgebremsten Naturverbrauch. Darum gehen drei von vier getöteten Uhus jährlich auf das Konto von Überlandleitungen, Zäunen und Autobahnen.

Fragwürdige Umstände der Flughöhenmessung des Uhus

Und die nächste ernste Bedrohung wirkt sich seit kurzem bereits aus: Windenergieanlagen (WEA). Derzeit zieren 25.500 „Spargel“ deutsche Landschaften. Für Nachschub ist gesorgt, da auch die „Energiewende“ keine „Obergrenze“ zu kennen scheint. Deshalb mahnt die Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen in Bad Münstereifel, das erhöhte Tötungsrisiko, dem Uhus durch WEA ausgesetzt seien, endlich in den Planungs- und Zulassungsverfahren angemessen zu berücksichtigen (Naturschutz und Landschaftsplanung, 6/15).

Dieses Risiko sei bisher fahrlässig unterschätzt worden. Zu oft finde sich in den Planungsunterlagen die Formel, der Uhu sei ein „Pirsch- oder Ansitzjäger“, der auf seine Beute knapp über dem Erdboden fliegend ansteuert. Gerade dieser Raubvogel könne daher gar nicht in die Reichweite von Rotoren gelangen, die in 80 bis 100 Metern Höhe rauschen. Folglich seien die mit dem WEA-Betrieb für den Uhu verknüpften Kollisionsrisiken im Sinne des BNatSchG „sozialadäquat“.

Kollisionsereignisse seien mithin so selten oder unwahrscheinlich, daß sie im Rahmen des naturschutzrechtlichen Tötungsverbots nicht ins Gewicht fielen. Eine wirtschaftsfreundliche Argumentation, die sich auch die EU-Kommission zu eigen mache, da sie WEAs nur als „mittleres Risiko“ für Uhus klassifiziere.

Wie eine Bestätigung dafür lesen sich jüngst präsentierte erste Daten eines von der Bundesstiftung Umwelt und der Windenergiewirtschaft geförderten „Besenderten Uhu-Höhenflug-Monitorings“. Indessen läßt eine Reihe von Voraussetzungen die Eulenschützer aus der Eifel an der Aussagekraft der Erhebungen zweifeln. Bei zu wenigen Tieren wurde für viel zu kurze Zeit, noch dazu außerhalb der Herbst- und Hauptbalz, der Brut- und Nestlingswochen, die Flughöhe gemessen. Der Schwerpunkt läge überdies auf der Phase des Flüggewerdens und damit in einer Zeit, in der die Altvögel am wenigsten Anlaß zu Flügen in größeren Höhen hätten. Außerhalb dieser kurzen Zeit könnten Uhus durchaus in Rotorennähe beobachtet werden: bei Balz-, Distanz- und Verteidigungsflügen, bei Ausweichbewegungen und sogar bei Jagdflügen, da außer Frage stehe, daß sie am Nachthimmel ziehende oder in Baumkronen übernachtende Vögel schlagen.

Nachlässiges Prüfen durch die Planungsbehörden

Obwohl solche Einwände bisher nicht durch eine hinreichende Zahl von schwer aufzufindenden toten Uhus untermauert wurden, die eindeutig als Kollisionsopfer gelten können, sprechen doch harte Indizien für sie. So verweisen die Eulenschützer auf die Relationen zwischen den Bestands- und Opferzahlen von Uhu und Rotmilan (Milvus milvus) in drei Mittelgebirgsbundesländern. 43 eindeutig durch WEAs getötete Rotmilane und 14 Uhus wurden dort bisher registriert. Die dreimal höhere Opferzahl entspreche hier der dreimal höheren Bestandszahl (2.300 Milane, 750 Uhus). Daraus dürfe man auf ein vergleichbares Kollisionsrisiko für die beiden Greifvogelarten schließen. Jedenfalls könne das Risiko zukünftig weder länger „marginalisiert“ werden, noch dürften die Planungsbehörden zu Lasten des Vogelschutzes mit ihrer laschen Antragsprüfungspraxis fortfahren, wie sie im April-Heft von Der Falke ein Insider beschrieb: „In keinem Bereich wird so viel getrickst wie bei der Windenergie.“