© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/15 / 09. Oktober 2015

Erfundene Nebenklägerin beim NSU-Prozeß
Unglaublich
Marcus Schmidt

Es ist kaum zu glauben: In einem der spektakulärsten Verfahren in der Geschichte der Bundesrepublik, dem Münchner NSU-Prozeß, fällt erst nach 232 Verhandlungstagen auf, daß einer der 86 Nebenkläger überhaupt nicht existiert. 

Erst als „Meral Keskin“, die angeblich beim Kölner Nagelbombenattentat verletzt wurde, zum wiederholten Male nicht vor Gericht erschien, flog der Betrug auf. Ein tatsächliches Opfer des Anschlages hatte offenbar Dokumente gefälscht und die erfundene Frau gegen Provision an einen Anwalt vermittelt. Dieser kassierte für die Vertretung der fiktiven Mandantin Zehntausende Euro – und benötigt nun selbst einen Rechtsbeistand. Es stellt sich die Frage, wie ein Gericht jemanden überhaupt als Kläger zulassen kann, ohne sich vorher von dessen Existenz zu überzeugen. Angesicht dieses Skandals wundert es nicht, daß die Spekulationen rund um das NSU-Verfahren ins Kraut schießen.

Für das Verfahren gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ist die Posse indes ohne Belang. Vielmehr deutet die Ablehnung mehrerer Beweisanträge der Nebenkläger durch das Gericht darauf hin, daß der Prozeß zu Ende geht. Nach Einschätzung von Prozeßbeobachtern ist das Gericht mittlerweile von der Schuld Zschäpes überzeugt – auch ohne die Aussage von „Meral Keskin“.