© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/15 / 09. Oktober 2015

Flucht vor der Vergangenheit
Asylkrise: Ein junges Ehepaar aus dem Irak hofft auf eine friedliche Zukunft in Deutschland jenseits des Islam
Elena Hickman

So ganz fremd fühlen sie sich hier nicht. „Berlin erinnert mich an Bagdad oder Damaskus“, erzählt Omar in gebrochenem Englisch und ergänzt mit einem Schulterzucken, „aber vor den Bomben.“ Omar lebt seit ein paar Monaten als Asylant in Deutschland, zusammen mit seiner Frau Hadil und Töchterchen Ileni. Sie wohnen nun in einem kleinen Dorf in Hessen, aber für ein paar Tage wollten sie sich Berlin ansehen.

Hadil und Omar kommen aus dem Irak. Sie gehörte einer schiitischen Familie an, er einer sunnitischen. Als Omar um Hadils Hand anhielt, reagierte ihre Familie erbost und drohte, Omar umzubringen. Gemeinsam flohen sie in die Türkei und heirateten dort. In Istanbul kam dann Ileni auf die Welt. 

„Ich bin kein Moslem mehr“

Aber auch in der Türkei war die Gefahr, entdeckt zu werden, zu groß. „Es war noch zu nah am Irak“, sagt der 31jährige, „dort gab es viele Clans, die Kontakte in den Irak hatten“. Hadils Familie hätte sie dort leicht finden können. Also zogen sie weiter, mit dem Schiff, dem Zug und weite Strecken zu Fuß – alles mit einem Säugling auf dem Arm. Sie gelangten über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich bis nach Deutschland. Weit genug weg von der lebensbedrohlichen Gefahr durch Hadils Familie, ihren religiösen Ehrgefühlen und einengenden Clan-Regeln. 

In Griechenland bekam Omar eine Bibel geschenkt, sein erster Kontakt mit dem christlichen Glauben. „Ich bin kein Moslem mehr“, stellt Omar entschlossen klar. Mit dem Islam wolle er jetzt nichts mehr zu tun haben. Das Christentum findet er besser, darüber „will ich mehr lernen und mehr erfahren“. Im Christentum würde es um Liebe gehen, ganz im Gegensatz zum Islam. 

Deshalb beunruhigen ihn auch die ganzen Flüchtlinge, die jetzt nach Deutschland kommen. „Ich weiß, was in ihren Herzen ist“, sagt Omar, wenn er auf sie angesprochen wird, „sie wollen andere von ihrem Glauben – vom Islam – überzeugen, und sie wollen Geld.“ In Hessen, wo sie jetzt eine Wohnung gefunden haben, seien zu viele Moslems. Wenn Omar mit ihnen ins Gespräch kommt, dann „erzählen sie mir, wie sie die Deutschen zum Islam bekehren wollen“. Für sie seien alle Deutschen Christen. Inzwischen meiden Hadil und Omar die Gesellschaft von muslimischen Flüchtlingen, denn die könnten mitbekommen, wie ablehnend beide dem Islam gegenüberstehen. Und auf einmal scheint der Irak den beiden wieder bedrohlich nah gekommen zu sein.

Um sich habe er nicht zu viel Angst, erzählt Omar, aber um Ileni, seine kleine eineinhalbjährige Tochter. „Sie soll in Sicherheit aufwachsen“, wünschen sich die jungen Eltern. Auf ihrem Handy hat die 24 Jahre alte Hadil Bilder von einer Hochzeitsfeier im Irak – die achtjährige Braut aufwendig geschminkt und zurechtgemacht. Ein groteskes Bild, das in seiner Traurigkeit nur noch von Hadils Satz übertroffen wird: „Viele Kinderbräute sterben dann bei der Geburt ihres ersten Kindes.“ So ein Leben wollen sie auf keinen Fall für Ileni. Sie solle einmal die Möglichkeit haben, an die Universität zu gehen oder eine Ausbildung zu machen, sagt Omar und schaut auf die Kleine.

 Nach der Genehmigung seines Asylantrags hat er sich deshalb auf die Suche nach einer Arbeitsstelle gemacht – bisher vergeblich. In einem Friseursalon hätte er anfangen dürfen, aber nur als Schwarzarbeiter. „Das war nicht richtig“, erzählt Omar und schüttelt enttäuscht den Kopf. Er will sich an die deutschen Gesetze halten, und er möchte lieber selbst arbeiten, anstatt vom Arbeitsamt bezahlt zu werden. 

Omar möchte schnell Deutsch lernen

Am liebsten würde Omar eine Ausbildung machen, um bessere Chancen auf eine gute Arbeitsstelle zu haben. „Für Ilenis Zukunft“, betont er immer wieder. Wenn die Kleine dann im Kindergarten sei, könnte auch Hadil sich eine Arbeit suchen. Sie habe im Irak als Erzieherin gearbeitet und würde gerne wieder anfangen zu arbeiten. „Dann kann ich auch schneller Deutsch lernen“, sagt Hadil, deren Deutsch sich nur langsam verbessert und erweitert. Mit der Kleinen kann sie eben noch keine Deutschkurse besuchen. Nicht, daß es viele davon gäbe. Omar versucht zur Zeit mit Videos auf seinem Handy die Sprache zu lernen. „Aber das reicht nicht“, bedauert Omar. Er wünscht sich wieder die Kurse an der Volkshochschule, erzählt er, die wurden aber eingestellt, weil der Landkreis kein Geld mehr hatte. Währenddessen sitzt Ileni im Kinderwagen und plappert in einer Mischung aus Arabisch, Deutsch und der ganz eigenen Kleinkindsprache vor sich hin. Sie wird wahrscheinlich noch vor ihren Eltern fließend Deutsch sprechen können.