© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/15 / 09. Oktober 2015

„Net nur Ampeln gendern“
Landtagswahl Wien: Zum dritten Mal fordert Heinz-Christian Strache SPÖ-Chef Häupl heraus / Spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet
Curd-Torsten Weick

Die Zeit ist knapp bemessen. Nach  vier Stunden Schlaf aufstehen.  Um  sechs Uhr geht’s los.  Denn um 6.30 Uhr begrüßt Radio Wien Heinz-Christian Strache zum Frühstück. „HC Strache privat“ heißt das Format,  und der FPÖ-Chef plaudert mit etwas heiserer Stimme über sein Leben und den aktuellen Wahlkampf um das Wiener Bürgermeisteramt am 11. Oktober. „Ich bin ein Workaholic, ich arbeite sehr viel und intensiv“, erklärt der 46jährige. Zwar kämen „die Liebsten“ dabei „zu kurz“, doch sei er dankbar dafür, daß seine Kinder dafür „Verständnis“ zeigen. Auch für seine Hobbys bleibe da wenig Zeit. Er laufe gern, fahre gern Rad, spiele gern Tennis und Schach und tauche gern. Am liebsten auf den Malediven, aber das sei nun schon ein Jahr her, so der gelernte Zahntechniker. 

Nachschlag für Rentner und mehr Jobs für die Wiener

Um acht Uhr folgt der Termin „Radio Wien – live-Interview“ und Strache erklärt: Ziel sei das historisch beste Ergebnis in der Geschichte der FPÖ Wien, mit über 30 Prozent, möglich zu machen. Je mehr, desto besser. Bestehe doch die Möglichkeit, stärktse Kraft zu werden. Knacke er die Marke, verspricht er, mit dem Rauchen aufhören zu wollen. Nach Kurzbesuchen auf Bürgerständen stellt „HC“ der Presse dann um 10.30 Uhr die dritte Welle der Plakataktion unter dem Motto „Wählt so, wie Ihr denkt … damit auch geschieht, was Ihr wollt“ vor. 

11.30 Uhr drängt die Zeit für die Vorbereitung auf die Sondersitzung im Parlament. Auf Antrag der FPÖ wird über das Thema „Österreich im Ausnahmezustand – sichere Grenzen statt Asylchaos“ diskutiert. Es folgt um 12.30 Uhr die Fraktionssitzung im FPÖ-Parlamentsklub, dann 13 Uhr Bürgertermine im Wiener Rathaus. Um 15 Uhr der Frontalangriff Straches bei der Wiederaufnahme der Sondersitzung. Er kritisiert die „unverantwortliche“ und „gemeingefährliche“ Politik der rot-schwarzen Regierung gegenüber den Problemen der „Völkerwanderung“ und fordert sie zum Rücktritt auf.

Nach dem Ende der Sondersitzung 18.30 kurzes Verschnaufen, gefolgt vom    Empfang bei der Industriellenvereinigung und last but not least der Übergang zum gemütlichen Teil: HC Strache feat. MC Blue präsentieren um 22 Uhr den „Good Men[Sch] Rap“.

Textzeilen wie „Wos zu verändern, haßt net Ampeln gendern und a net unsa wundabore Hymne obzuändern“, untermalt von einer hippen Version des Donauwalzers, wabern über den Dancefloor der Diskothek Bettelalm. HC rappt für Wohlstand und mehr Gerechtigkeit. Er garantiert Jobs erst einmal nur für die Wiener. Auch die Rentner sollen einen Nachschlag bekommen. Notleidenden Flüchtlingen soll geholfen werden  – der Rest von 80 Prozent „Scheinasylanten“ nicht mitgezählt. 

Zum dritten Mal geht Strache bei einer Wien-Wahl als Nummer eins der FPÖ ins Rennen. Erstmals trat er im Oktober 2005 an, als die Freiheitlichen aufgrund heftiger Turbulenzen – Jörg Haider und alle FPÖ-Regierungsmitglieder verließen im April 2005 die Partei und gründeten das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) – bei Umfragen um sieben Prozent lag. Überraschend holte Strache 14,8 Prozent. Fünf Jahre später überholte die FPÖ die ÖVP (14 Prozent) als zweite Kraft und erzielte 25,8 Prozent. Weit davon entfernt die SPÖ unter Michael Häupl, mit 44,3 Prozent. 

Doch das ist fünf Jahre her. Umfragen prognostizieren nun ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden Wiener Großparteien. Ein Duell, bei dem die anderen Parteien beinah wie Statisten wirken. Um so heftiger attackieren SPÖ, Grüne, ÖVP und die linksliberalen Neos Straches Kurs.

Die Grüne Eva Glawischnig-Piesczek – „Helfen auf allen Ebenen – lokal, national und international“ – findet es unhaltbar, daß die Freiheitlichen die „Flüchtlingskrise als Wahlkampfthema mißbrauchen“. „Stacheldrahtzäune rund um die EU“ zu bauen, sei keineswegs die Lösung der Tragödie, die bereits Zigtausende am Mittelmeer das Leben gekostet“ habe, erklärt der NEO-Politiker Matthias Strolz. Unter Betonung des Umstands, daß die Zahl der Schutzsuchenden in Österreich „keineswegs dramatisch hoch“ sei, weist Reinhold Lopatka (ÖVP) die Klage der FPÖ gegen die Bundesregierung zurück: während die Freiheitlichen permanent Angst schürten, arbeite die Regierung ununterbrochen an Lösungen.

Häupl dagegen zeigt in einem Werbespot seine Abneigung gegenüber blauen Krawatten und kritisiert Strache im Kurier: „Er lebt ja von Angst. Er ist selbst von Angst getrieben und lebt politisch davon, daß die Leute Angst haben.“ Zwar seien in den vergangenen Tagen viele Flüchtlinge nach Wien gekommen, eine „wachsende Stadt“ würde mit „dieser Zahl an Asylanten leicht fertig werden“, so der 66jährige: „Wir haben zur Zeit in Wien weniger als 12.000 Asylwerber. Im Bosnienkrieg hatten wir 80.000 in Wien.“

„Ich will Bürgermeister werden“, erklärt dagegen Strache gegenüber dem Standard und verspricht nicht nur strenge Grenzkontrollen gegen Schlepper und Kriminelle sowie die konsequente Abschiebung von Scheinasylanten und ausländischer Krimineller. Er will mehr  Polizeipräsenz, plädiert für lokale Bettelverbote und verspricht den Kampf gegen Wuchermieten“, gibt aber gleichzeitig zu bedenken, daß man als Bürgermeister nur „beschränkte Möglichkeiten“ besitze. Häupl jedoch habe „seit Jahren zu Fehlentwicklungen seines Parteifreundes“, Bundeskanzler Werner Faymann, geschwiegen. Stattdessen bräuchte Wien einen Bürgermeister, der sagt: „Ich lasse die Wienerinnen und Wiener nicht im Stich. Und dort, wo ich kann, schaffe ich Sicherheit selbst.“

Vor diesem Hintergrund läuft Straches Wahlkampf wie bei den Wahlkämpfen zuvor auf Hochtouren. „Ich rauche seit meinem 15. Lebensjahr. In Wahlkampfzeiten können es 40 Zigaretten sein, sonst 20“, resümiert Strache. Dazu kommt viel Kaffee. „Tee gibt es nach Wahlkämpfen, da lebe ich dann Entgiftung.“

Foto: Duell FPÖ-Chef Strache gegen Michael Häupl (SPÖ): Was 2005 und 2010 nicht gelang, soll nun folgen – die Freiheitlichen als Wahlsieger