© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/15 / 09. Oktober 2015

Starke Umverteilung innerhalb der Eurozone durch Nullzinspolitik
Verlierer Deutschland
Thorsten Polleit

Die Allianz beklagt in ihrem „Global Wealth Report 2015“ die starke Umverteilung zwischen den Euroländern durch die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Das überrascht nicht, denn deren Geldpolitik ist nicht „neutral“, im Gegenteil: Die einen gewinnen auf Kosten der anderen. So entgehen Sparern Zinseinkünfte, weil die EZB die Rendite festverzinslicher Anlagen bewußt niedrig hält. In den Firmenbilanzen steigen die Barwerte der Pensionsverbindlichkeiten, das Eigenkapital schmilzt dadurch ab. Die Kreditqualität der Firmen sinkt, steigende Finanzierungskosten verringern die Gewinne. 

Vom Niedrigzins profitieren besonders die schwachen Euroländer. Ihnen wird die Pleite erspart. Zudem sinkt ihre Zinsrechnung – und die Mißwirtschaft kann fortgeführt werden. Weil die EZB die Staatsschulden mit neu geschaffenen Euro kauft, werden die Geldhalter das mit höheren Güterpreisen zu bezahlen haben. Der Target-2-Saldo der Bundesbank betrug im August 573 Milliarden Euro. Sprich: Die EZB hat den Banken in der Euro-Peripherie neue Euro gegeben – auf Kosten der Länder, die einen positiven Target-2-Saldo ausweisen. Das sind neben Deutschland die Niederlande, Luxemburg und Finnland.

Wer meint, der Niedrigzins würde allen zugute kommen, irrt. Künstlich gesenkte Zinsen provozieren Kapitalfehllenkung und Kapitalverzehr. Knappe Mittel werden nicht mehr zum besten Wirt gelenkt. Die Wachstumskräfte der Volkswirtschaften erlahmen, Produktion, Beschäftigung und Reallöhne leiden. Gerade für das kapitalintensive Deutschland richten die verzerrten Zinssignale große Schäden in Form von Fehlinvestitionen und Überkapazitäten an. 

Die Politik der EZB läuft auf das Monetisieren der Euro-Staatsschulden hinaus – wie es zum Beispiel in der Weimarer Republik von der Reichsbank praktiziert wurde. Nur soll es diesmal „geordnet“ ablaufen. Die EZB erklärt daher der Öffentlichkeit, sie kaufe Staatsanleihen und andere Schuldpapiere nur in „begrenztem“ Umfang. Doch schon heute ist erkennbar, daß die angepeilten Anleihekäufe in Höhe von 1,14 Billionen Euro nicht ausreichen.

Die Zahlungsprobleme des Euro-Bankensektors legen nämlich nahe, daß die Aufkäufe mindestens fünf Billionen Euro betragen werden. Die resultierende Euro-Geldschwemme wird die Hochverschuldeten gegenüber den weniger Hochverschuldeten begünstigen, wird denjenigen, die frühzeitig die Schulden gekauft haben, die die EZB kauft, kräftige Gewinne bescheren, und sie läßt die Kaufkraft des Euro schwinden. Die EZB zieht gutgläubigen Sparern, die Bankeinlagen und Anleihen halten, ihr Vermögen gewissermaßen unter den Händen weg.

„Allianz Global Wealth Report 2015“: allianz.com