© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/15 / 09. Oktober 2015

Dorn im Auge
Christian Dorn

Mein Nachbar bringt es auf den Punkt: „Der Migrant ist der neue Messias.“ Wer sich heute mit seinen privaten Mitteln öffentlichkeitswirksam für die Flüchtlinge engagiere, erkaufe sich die neuzeitliche Form des Ablaßbriefes.

Bei den „Bärgida“-Versammlungen in Berlin, berichtet ein Teilnehmer, gestehe mancher Polizist den Demonstranten unter vier Augen, daß er am liebsten mitdemonstrieren würde. So aber bilden die Polizisten die Exekutive, die das Recht auf Meinungs- und Versammlungsrecht absichert – das sich hier gegen die Legislative der „Volksverräter“ richtet. Ab wann, frage ich mich immer häufiger, greift eigentlich Artikel 20, Absatz 4 Grundgesetz: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“? Immerhin stellte Hans-Olaf Henkel dieses Widerstandsrecht während seiner letzten Buchpräsentation im Haus der Bundespressekonferenz selbst in den Raum, als er – angesichts der „alternativlosen“ Euro-Rettung – von der realen Legitimationsbasis für „einen Stauffenberg unserer Tage“ sprach.

Jede Medaille hat zwei Seiten. Dies gilt auch für den besonders freundlichen und beflissenen schwarzen Paketzusteller. Tatsächlich, klärt mich die Briefträgerin auf, sei er Teil der neuen ausgegliederten Tochterfirma der Deutschen Post, die so die ursprünglichen Mitarbeiter ersetzt und den Niedriglohnsektor ausweitet.

Ein durch die Straße streunender Schwarzer untersucht die Einkaufstüte, die in der Haustüreinfahrt steht, da der Besitzer gerade die Einkäufe vom Auto zum Haus trägt. Als die migrantische Fachkraft vom Eigentümer angesprochen wird, entschuldigt sich diese nicht, sondern reagiert mit rhetorischer Drohgebärde.

Beim AfD-Fest berichtet ein Familienvater vom couragierten Auftritt seines Sohnes. Als die gegnerische Türkenmannschaft den schwarzen Spieler des eigenen Teams als „Neger“ hänselte, habe der Sohn den türkischen Trainer zur Rede gestellt: „Wir sind hier in Deutschland. Wir dürfen euch nicht Kanaken nennen, also nennt ihr unseren Spieler nicht mehr Neger.“ Die Türken kapitulierten.

„Ich liebe es“ – schwere Goldkettchen tragende, testosterongesteuerte Kulturbereicherer posieren vor der McDonalds-Filiale am Tauentzienplatz. Ein kurzer kritischer Blick muß genügen, mein Stolz reicht nicht für die drei Augenpaare, die nur darauf warten, ein „Opfer“ zu identifizieren.