© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Ein Jahr Pegida-Bewegung in Dresden
Mißverstanden
Werner Patzelt

Das Jahr politischen Umgangs mit Pegida führte Glanz und Elend Deutschlands vor Augen. Glänzend zeigte sich, daß dieses Land weder Rassismus noch Faschismus will, für Weltoffenheit und Hilfsbereitschaft steht. Das möge so bleiben. Doch elend war mancher Weg zum Ziel. Im Namen von Pluralität wurde ausgegrenzt, was nicht ins Schema paßte. Im Namen von Rationalität wurden Aussagen nicht danach beurteilt, ob sie stimmten, sondern wem sie nützten. Im Namen von Humanität wurden Andersdenkende als Feinde behandelt. Und die Bekundung des Richtigen nahm Formen an, die auf politischen Kitsch hinauslaufen. 

Vor allem wurde mißverstanden, daß Pegida – zufällig um eine fragwürdige Figur entstanden – nur ein Symptom, nicht die Ursache wichtiger Probleme ist. Einwanderung ohne Grenzen: Wann sprengt das Solidarität? Integrationsverlangen ohne Leitkultur: Wie soll das gehen? Eliten voll Verachtung für rüdes Volk: Halten sie wirklich das Land zusammen? Längst wurden aus besorgten Bürgern empörte Bürger, inzwischen oft Systemgegner. Bald dürfte Deutschland eine starke rechtspopulistische Partei haben. Zu spät werden dann viele begreifen: Wir haben zwar Gutes gewollt, doch politisch nicht genug gekonnt!






Prof. Dr. Werner Patzelt lehrt Politikwissenschaften an der TU Dresden.