© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

„Ein unsägliches Relikt aus der Nixon-Ära“
Energiestrategien: US-Demokraten und Republikaner streiten über das amerikanische Exportverbot für Rohöl
Thomas Fasbender

Eigenversorgung oder Profit: In den USA tobt ein Kampf um das Ölexportrecht. Und er ist ein Paradebeispiel für die Rivalität der Lobbygruppen. „Es ist Unsinn, unser Öl ins Ausland zu verkaufen, solange wir täglich Millionen Tonnen importieren und der Verbraucher an der Tanksäule von niedrigen Preisen profitiert“, so der linksliberale demokratische Senator Ed Markey aus Massachusetts, wo Hoch- und Biotechnologie zu Hause sind. 

Sein Kontrahent Harold Hamm, der mit der Ölfirma Continental Resources zum reichsten Mann des Agrarstaats Oklahoma aufstieg, kontert: „Das Exportverbot ist ein unsägliches Relikt aus der Nixon-Ära und schadet der amerikanischen Wirtschaft.“ In vier Jahren habe es die USA, die Produzenten und die Eigentümer der Förderrechte um 125 Milliarden US-Dollar Umsatz gebracht, so der Republikaner und Ex-Energieberater des gescheiterten Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney. Hunderttausende Arbeitsplätze seien verschwunden oder bedroht.

Das Exportverbot (Energy Policy and Conservation Act/EPCA) war 1975 von Nixon-Nachfolger Gerald Ford unterschrieben worden und eine Reaktion auf das Embargo der Opec-Staaten und die weltweite Ölkrise zwei Jahre zuvor. 1979 kam Jimmy Carters Export Administration Act (EAA) hinzu. Inzwischen sorgt dies für Zündstoff, denn die US-Ölraffinerien, fast ein Drittel davon in ausländischer Hand, haben sich in den Jahren hoher Ölpreise auf die Verarbeitung schwerer, schwefelreicher Rohöle spezialisiert, die sie billig aus Mexiko, Kanada oder Venezuela beziehen.

Die Mexikaner, deren eigene Raffinerien für leichtes Rohöl ausgelegt und zudem ineffizient sind (42 Prozent mehr Energieverbrauch, zwölfmal mehr Produktionsausfälle als im weltweiten Schnitt), sind froh, ihr schlechtes Öl in den Norden zu verkaufen. Die liefern dafür große Mengen an Benzin zurück. Gegenüber 2008 hat sich die Rohölförderung in den USA – dank der umstrittenen Fördermethode Fracking – auf über neun Millionen Faß pro Tag fast verdoppelt. Ironie des Schicksals: Das Öl ist qualitativ „light and sweet“ – hell und süß. Nun konkurriert das edle US-Rohöl mit der Schwefelsuppe aus Mexiko, und zu allem Unglück haben die amerikanischen Raffinerien damit kein Problem. Exportieren dürfen die US-Ölförderer ihren hochwertigen Rohstoff aber dank EPCA und EAA nicht, jedenfalls nicht unverarbeitet. Also bestimmen die Raffinerien den Preis. Und obwohl die Standardsorte West Texas Intermediate (WTI) der Nordseesorte Brent qualitativ nicht nachsteht, handelt sie seit Jahren mit einem fast zehnprozentigen Abschlag: vorige Woche kostete WTI 49 Dollar pro Faß (159 Liter), Brent hingegen 53 Dollar. Aus dieser Differenz errechnet sich auch der Verlust, den Harold Hamm für seine Branche geltend macht.

Ein Liter Benzin kostet weniger als 50 Cent

Mit dem Ölpreisverfall seit Mitte 2014 hat das Thema an Brisanz gewonnen. Viele US-Fördergesellschaften, die in teure Frackingprojekte investiert haben, stehen am Rande des Bankrotts. Jeder Cent Marge zählt. Die Regierung ist unter Druck. Gleichzeitig profitiert jedoch der amerikanische Wähler nicht unerheblich von den Niedrigpreisen – vorige Woche kostete ein Liter Benzin umgerechnet weniger als 50 Cent. Zwei Drittel des US-Ölverbrauchs gehen in den Transportsektor; eher würde Washington die Benzinpreise subventionieren, als einen Aufstand zu riskieren.

Ungeheure 18 Millionen Faß Rohöl destillieren die USA täglich in ihren Raffinerien – 23 Prozent des weltweiten Verbrauchs. Für die Ölproduzenten, die ihre Preise mit denen der Sorte Brent vergleichen, summiert sich das zu riesigen Beträgen. Kein Wunder, daß ihr Lobbying, etwa durch die Gruppe Producers for American Crude Oil Exports (Pace), an Druck und Tempo zulegt. Die Großen wie Continental Resources oder Conoco Phillips geben immer neue Gutachten in Auftrag. Die sollen beweisen, wie sehr die USA von einer Aufhebung des Exportverbots profitieren würden. Auch ein neues Gutachten der US-Behörde Energy Information Administration (EIA) stützt die Argumentation der Republikaner. Durch den neuen Kalten Krieg mit Rußland wittern die potentiellen Exporteure eine neue Chance: „Die Krise in der Ukraine hat die Politik umdenken lassen. Ihr ist klar geworden, daß der Ölexport der Rolle Amerikas in der Welt eine zusätzliche Dimension verleiht. Er stärkt unsere Position und unseren Einfluß“, erklärte Daniel Yergin, Vizechef der Informationsagentur IHS.

Die Obama-Regierung hat bereits Lockerungen zugelassen. Ende 2014 wurde US-Firmen erlaubt, Kondensat (eine flüchtige Rohöl-Fraktion aus kurzkettigen Kohlenwasserstoffen) als quasi-verarbeitetes Produkt zu exportieren. Im August erhielt die staatliche mexikanische Ölgesellschaft Pemex die Erlaubnis, Tauschgeschäfte von täglich bis zu 100.000 Faß Rohöl abzuschließen. In diesem Umfang wird leichtes US-Rohöl im Austausch gegen schweres mexikanisches nach Süden geliefert. Für Mexiko ist das eine erhebliche Erleichterung. In den Augen der US-Ölindustrie sind dies jedoch rein kosmetische Maßnahmen. 

Zu einer Aufhebung des Exportverbots ist US-Präsident Barack Obama nicht bereit. Auch der Kandidat der Demokraten wird alles tun, um eine Aufhebung des Exportverbots zu verhindern. Eine entsprechende Republikaner-Initiative konterte Präsidentensprecher Josh Earnest jüngst mit dem Vorschlag, dann auch die Steuerprivilegien für die Ölindustrie aufzuheben. Jeder weiß, daß die Unternehmen in einem solchen Fall kräftig draufzahlen würden. Dem auch innerparteilich umstrittenen Kongreßabgeordneten Kevin McCarthy aus dem Ölstaat Kalifornien entgegnete Earnest süffisant, es sei wohl die Priorität der Republikaner, sich „den Interessen der Ölindustrie anzudienen“. Das Gerangel wird auch nach Obama weitergehen.

Übersichten zum US-Energieverbrauch: css.snre.umich.edu/factsheets