© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Falsches Vorbild
Sachbuchmarkt: Wenn aus Reisereportagen „Dokumentationen“ werden
Richard Stoltz

Eindruck auf der Frankfurter Buchmesse bei den Sachbüchern: Reisereportagen heißen jetzt durch die Bank „Dokumentationen“. Sachbuchautoren wollen keine schlichten Berichterstatter mehr sein, sondern ausdrücklich „Dokumentaristen“. Man berichtet nicht mehr, sondern man „dokumentiert“.

Auch im Fernsehen reportiert man schon seit längerem nicht mehr, sondern hält nur noch die Mikrofone hin, damit „authentische“ Figuren hineinsprechen und sich dabei abbilden lassen. Ob dadurch wirklich verläßliche Dokumente entstehen, muß sich am jeweiligen Fall erst erweisen. Manche TV-Dokumentaristen fangen gerade an, an ihrem Status zu zweifeln, und wohin das führen kann, zeigt ein Radio-Interview des ORF mit Hubert Sauber.

Der bekannte freischaffende Tiroler Dokumentarist („Darwin’s Nightmare“, „We come as Friends“) beklagte sich bitter über die mangelnde (Vor-)Finanzierung seiner Projekte. „Man kann sich nicht von einem Milliardär finanzieren lassen und diesen dann in einem Film schlecht dastehen lassen. Ich denke daher, daß die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln enorm wichtig für freie Meinungsäußerung ist (…) Ich erhalte Geld von Regierungen, die sagen, daß sie mir vertrauen, weil ich Künstler bin. Ja, der Dokumentarfilm ist eines der letzten Refugien der Meinungsfreiheit.“ Soweit Hubert Sauber.

Die staatlichen Stellen vertrauen ihm also, weil er Künstler ist, und geben ihm Geld. Ob ihm auch seine Zuhörer und Zuschauer vertrauen, danach fragt er nicht. Fleißige Sachbuchautoren aber sollten sich ihn definitiv nicht zum Vorbild nehmen. Ihr Vorbild sollten besser die großartigen, unbestechlichen und stilsicheren Reisereporter der jüngeren Vergangenheit bleiben, Alfons Paquet, Richard Katz, Peter Scholl-Latour. Auch wenn es denen stets, statt um irgendwelche Dokumente, mehr um die Tatsachen selbst und um den genauen Blick dafür zu tun war. Oder gerade deswegen.