© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Auch beim Gold lagen die Medien falsch
„Lügenpresse“: Ein neues Buch untermauert den Vorwurf an die Leitmedien, sie würden einseitig berichten
Ronald Berthold

Nun hat der Begriff „Lügenpresse“ auch den Buchmarkt erobert. Der für seine schnellen, manchmal zu schnellen Reaktionen auf aktuelle Entwicklungen bekannte Kopp-Verlag hat einen gleichnamigen Band herausgebracht. Untertitel: „Wie uns die Massenmedien durch Fälschen, Verdrehen und Verschweigen manipulieren“. Autor Markus Gärtner ist ein Finanzfachmann und lebte 17 Jahre in Asien und Nordamerika. Erst vor kurzem kehrte er nach Deutschland zurück. Es war die Zeit, als Pegida mit ihrem Schlachtruf „Lügenpresse“ erstmals für Aufsehen sorgten. Jetzt, da die Bürgerbewegung zurückgekehrt ist, erscheint Gärtners Buch. 

Wer nun erwartet, daß sein gut recherchiertes Werk in erster Linie die Verfälschungen und Manipulationen bei Pegidas Kernthemen weiterdrehen würde, wird enttäuscht. Der 55jährige widmet sich vor allem den Bereichen, in denen er sich auskennt. Und das ist die Wirtschaft. So belegt der ehemalige Finanzkorrespondent der ARD, wo die Mainstream-Medien bei der Einschätzung der Märkte völlig falschlagen, wie sie Experten ignorierten und brav „positive und rosige Beurteilungen von Wallstreet-Analysten“ wiederkäuten.

Ergebnis: die Täuschung der Leser bei allen wichtigen Anlagefragen. Obwohl es zahlreiche Warnungen gab, sei weder über die Finanzkrise 2008 noch der sich andeutende Aufschwung des Goldpreises und auch nicht dessen Abschwung rechtzeitig berichtet worden.

Als die Preise für die Feinunze im November 2011 bei gut 1.800 US-Dollar lagen und damit ihr Allzeithoch erreichten, berichtete n-tv, daß nun 2.500 Dollar erwartet würden. In Wahrheit begann der Absturz. Während der im vollen Gange war, nämlich im Dezember des darauffolgenden Jahres, erkannte die Wirtschaftswoche immer noch ein „klares Aufwärtspotential“. Pech gehabt, wer sich darauf verließ. Denn er verlor bis heute genau ein Drittel seines eingesetzten Vermögens.

Ähnlich verhielt es sich mit der Euro-Einführung und der Berichterstattung über die jüngsten Krisen der Gemeinschaftswährung. Gärtner legt das alles detailliert offen und verfügt über ein hervorragendes Archiv, das die Journalisten alt aussehen läßt. Ein Beispiel ist die Berichterstattung der Zeit über die Euro-Einführung. Im März 1998 schrieb das Blatt: „Mit ihrem absurden Gemäkel an den Euro-Daten machen sich die Gegner der Währungsunion nur noch lächerlich.“ 

Auch bei der Währungsunion lagen die Medien daneben

Selbst während der Krisen, als Verträge reihenweise gebrochen wurden, schlugen sich die Journalisten fast ausschließlich auf die Seite der EU-Administration und der Bundesregierung. Kritiker, auch anerkannte Volkswirtschaftler, wurden als „Anti-Europäer“ oder „Euro-Hasser“ gebrandmarkt. Mit ihrer Berichterstattung hätten die Mainstream-Medien viele Anleger um ihr Geld gebracht. Ebensowenig versteht Gärtner, daß auch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) kaum Kritik hervorruft. Schließlich finde eine kalte Enteignung statt. Anstatt sich zum Anwalt der deutschen Sparer zu machen, verteidigten viele Redaktionen die EZB und deren Politik. Sie ließen selbst „dreiste Lügen und Dummheiten von Politikern, Wirtschaftslenkern und Notenbankern durchgehen“. Als Beispiel fügt Gärtner diesen „unglaublichen Satz von EZB-Chef Draghi“ an: „Die EZB ist eine regelbasierte, keine politische Institution.“ Das klinge so, meint der Autor, „als ob Angela Merkel uns sagt, sie habe schon immer SPD gewählt“. Aus der vierten Gewalt, dem „Wachhund“, sei ein „Schoßhündchen“ geworden. 

Als Amtspapagei betätigten sich die Leitmedien auch, als das Schengen-Abkommen auf die osteuropäischen Staaten ausgeweitet wurde. „Offene Grenze senkt die Kriminalität“, log zum Beispiel die Welt 2008 und versuchte, ihre Leser auf EU-Kurs zu trimmen. Vier Jahre später kam dann die Einsicht derselben Zeitung: „Offene Grenzen erfreuen besonders Kriminelle.“ Und der Focus vermeldete in diesem Jahr „explodierende Einbruchszahlen“. Das große Erwachen komme „um Jahre zu spät“, meint Gärtner.

All das führe nicht nur zu den „Lügenpresse“-Sprechchören, nach denen Gärtner sein Buch benannt hat. Die Menschen verlören das Vertrauen in die Medien. Zunehmend werden Politiker und Journalisten als Angehörige einer gemeinsamen Klasse empfunden. Nach der Politiker- kommt nun die Journalistenverdrossenheit. Sechs von zehn Deutschen hätten inzwischen „wenig oder gar kein Vertrauen in die Berichterstattung mehr“, schreibt der Autor unter Berufung auf eine Infratest-Dimap-Untersuchung. Folge: Die Auflagen sinken, die Menschen wenden sich Informationsquellen und Blogs im Internet zu. Das sei eine verdiente Entwicklung, meint Gärtner: „Verbockt haben Zeitungen, Magazine und Rundfunkanstalten im herkömmlichen Nachrichten-Orbit ihren Absturz selbst. Sie haben das Vertrauen vieler Leser und Zuschauer verspielt.“

Markus Gärtner: Lügenpresse – Wie uns die Massenmedien durch Fälschen, Verdrehen und Verschweigen manipulieren. Kopp, Rottenburg, 2015, gebunden, 284 Seiten, 19,95 Euro