© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/15 / 16. Oktober 2015

Frisch gepresst

Selbstermächtigung. Daß Griechenland mit Goldman-Sachs-Hilfe seine Finanzen aufpolierte, um 2002 in den Euro zu kommen, ist bekannt. Daß die Bundesregierung ebenfalls für die Maastricht-Kriterien trickste, wird gern vergessen, weil die Bundesbank den Bilanzwert ihrer Goldreserven beim Übergang zur Marktpreisbewertung gemäß den Grundsätzen der Europäischen Zentralbank (EZB) plötzlich vervierfachte. Nicht nur deswegen ist die EZB zu einer „Quelle der Finanzinstabilität geworden“, warnt Markus C. Kerber in seinem faktenreichen Buch. Die milliardenschweren Zinsverluste der deutschen Euro-Sparer durch die „dauerhafte Nullzinspolitik“ überstiegen zudem längst jede Zinsersparnis und treffen – bestens verschleiert – „die Kleinen und Schwachen“. Die EZB finanziere eigentlich insolvente Staaten und pumpe mehr als eine Billion Euro in den Geldkreislauf. Sie definiere „die Regeln genauso wie deren Aussetzung, die Länge ihrer Suspendierung und die Begründung hierfür“. Diese andauernde Selbstermächtigung müsse ein Ende haben. Kerber fordert deshalb die Bürger auf: „Wehrt euch!“ Und im Gegensatz zu vielen publizistischen Eurokritikern ist der Berliner Wirtschaftsprofessor mit gutem Beispiel vorangegangen: Kerber klagte gegen die Griechenlandhilfen, das EZB-Anleihekaufprogramm und die Bankenunion vor dem Bundesverfassungsgericht. (fis)

Markus C. Kerber: Wehrt euch, Bürger! Wie die Europäische Zentralbank unser Geld zerstört. Finanzbuch Verlag, München 2015, broschiert, 128 Seiten, 9,99 Euro





Kulturgeschichte. Aus drei Zutaten besteht laut John Hirst die abendländische Zivilisation: aus der Gelehrsamkeit der Antike (die Welt ist logisch), dem Christentum (nur Christus kann uns retten) und dem germanischen Kriegertum (Kämpfen macht Spaß). Einmal schütteln und – voilà! Europa, wie wir es kennen. Hirst, emeritierter Historiker an der La Trobe Universität in Melbourne, hat sich in „Die kürzeste Geschichte Europas“ statt an der australischen an der europäischen Geschichte versucht. Mit Witz erzählt er die Historie von den Griechen bis hin zu Napoleon, wobei er einige amüsante anachronistische Bezüge herstellt. Vor Vereinfachungen macht er dabei nicht immer halt; etwas Vorwissen schadet nicht, um als Leser selbst Lücken zu füllen. Einen umfassenden Überblick darf man sich getreu dem Titel nicht erhoffen. (ab)

John Hirst: Die kürzeste Geschichte Europas. Verlag Hoffmann & Campe, Hamburg 2015, gebunden, 204 Seiten, Abbildungen, 20 Euro